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stricki

Posted on 17.6.2020

Dauertrip Timothy Leary steht wie kein anderer für LSD, Bewusstseinserweiterung und radikalen Drogenkonsum. Ein charismatischer, radikaler Freidenker, Psychologie-Professor an der renommierten Harvard-Universität. Er hat keine Probleme, Anhänger um sich zu scharen und damit Probanten für gewagte Drogenexperimente zu gewinnen. T. C. Boyle entwirft hier ein Szenario, wie es damals hätte sein können. Leary hat Zugang zu LSD-25, eine damals noch weitgehend unbekannte Substanz, von der vermutet wird, dass sie als Medikament bei psychischen Problemen eingesetzt werden könnte. Doch die wissenschaftliche Studie entpuppt sich schnell als unseriöser Selbstversuch. Leary und sein "Inner Circle" machen negative Schlagzeilen, sind aber überzeugt von ihrem Projekt. Die Gruppe tritt weniger öffentlich auf, schottet sich in einem Hotel in Mexico ab, bis sie auch dort unerwünscht sind, danach geht es zurück in die USA, in ein einsames Anwesen aufs Land. Boyle-Fans kennen das Setting. Boyle hat ein Fabile für Hippie-Kommunen, für radikale Gemeinschaften, für psychotische Protagonisten, und meistens eskaliert die Situation und absurde Dinge passieren. Genau damit habe ich hier auch gerechnet. In der Tat spitzen sich die Ereignisse zu, die Teilnehmer des Inner Circle konsumieren immer hemmungsloser, es gibt Horror-Trips, freie Liebe, viel Sex, vernachlässigte Kinder und Jugendliche, Geldmangel, Stress mit Polizei und Normalbürgern. Wer Boyles ältere Bücher wie "Drop City", "Ein Freund der Erde" oder "Wenn das Schlachten vorbei ist" nicht kennt, wird sich hier vermutlich wunderbar amüsieren. Wer sich wie ich auf die herrlichen Bösartigkeiten des Meisters gefreut hat, vermisst hier einiges. Es eskaliert nie richtig, Boyle reizt es nicht aus, niemand schmiert komplett ab, niemand stirbt, selbst die Streitigkeiten kratzen nur ganz zahnlos an der Oberfläche. Dabei hätte Boyle hier das beste Szenario für zwischenmenschliche Reibereien, Hierarchiekämpfe, Ungerechtigkeiten, Zickenkriege, Machismen, etc.! Ich messe Boyle an Boyle und vermisse seine kreative Abgründigkeit. Bei "Das Licht" wirkt es, als wäre er einer der Außenstehenden, die mal eine Party dort besucht haben, fasziniert vom Gemeinschaftsgefühl, aber unfähig, hinter die Kulissen zu blicken.

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