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SternchenBlau

Posted on 16.6.2020

Arendts Gedankengänge sind faszinierend Dieser Essay ist recht knapp (rund 40 Seiten), aber wie bei Arendt üblich, haben es die Zeilen in sich. Es geht hier um die politische und nicht individuelle Aspekte der Freiheit. Zentral dabei war für mich, dass es bei Revolutionen immer um die Freiheit VON etwas ging, aber nie darum, wozu diese Freiheit genutzt werden soll. Arendt zeichnet die historische Entwicklung des Freiheitsbegriffes nach. Kenntnisreich führt sie uns dabei durch die Geschichte, den Schwerpunkt legt sie auf den Vergleich die recht zeitgleich stattfindende französische und amerikanische Revolution. Arendt zieht die bittere Erkenntnis, dass der Erfolg der letzteren auf dem Rücken der Schwarzen Sklaven zustande kam. „die Freiheit, frei zu sein, zuallererst bedeutete, nicht nur von der Furcht, sondern auch von der Not frei zu sein. Und die verzweifelte Armut der Massen, die zum ersten Mal offen sichtbar wurden, als sie auf die Straßen von Paris strömten, ließ sich nicht mit politischen Mitteln überwinden; (…) Die Amerikanische Revolution hatte das Glück, nicht mit diesem Freiheitshindernis konfrontiert zu sein, und verdankte ihren Erfolg zu einem Gutteil dem Fehlen verzweifelter Armut unter den Freien und der Unsichtbarkeit der Sklaven in den Kolonien der Neuen Welt.“ Hier hätte ich gerne noch mehr dazu erfahren, nicht nur, aber auch gerade in den Protesten für #BlackLivesMatter. Arendt geht darauf aber leider nicht weiter ein. Da sie u.a. in Bezug auf die Bürgerrechtsbewegung durchaus rassistische Argumente zu deren Verteidigung aufgefahren hat, hätte ich vermutlich auch gerne auch an dieser Stelle etwas progressives von ihr lesen wollen – da ich sie als Denkerin sonst sehr schätze. Spannend fand ich auch den Gedanken: „die Befreiung von der Armut (ist) etwas anderes als die Befreiung von politischer Unterdrückung“ Gerade in Bezug auf das heutige China lässt sich dieser Unterschied sehr deutlich erkennen. Auch, wenn die letzten Sätze sehr pessimistisch daherkommen, formuliert sie doch die Hoffnung, dass mit der Geburt jedes neuen Menschen ein Neuanfang und damit die Chance zur Freiheit möglich sind. Es ist faszinierend, in Arendts Texten ihren Gedankengängen zu folgen, die sich so kundig aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen speist. Das macht die Lektüre auch dieses Essays nicht ganz einfach, aber auf alle Fälle sehr lohnend. Hilfreich und spannend ist dabei auch die Einordnung und Kontextualisierung von Thomas Meyer im Nachwort.

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