Babscha
Hamilton is back. Endlich! Nach gefühlt ewiger Abstinenz in den schwarzen Tiefen des Alls haut der Großmeister der epischen SciFi endlich wieder eine Geschichte raus, die vom ersten Moment an zu begeistern weiß und qualitativ absolut an seine großen Armageddon- und Commonwealth-Zyklen anknüpft. Der vorliegende Auftaktband der nach heutigem Kenntnisstand als Trilogie konzipierten Salvation-Saga steigt wie immer sofort voll ein. Zwei Haupterzählstränge bilden das Fundament, einer angesiedelt in der zweiten Hälfte des 22. Jahrhunderts, der andere auf einem Planeten irgendwann in fernerer Zukunft. Die Story: Die Menschheit ist in den Weiten des Sonnensystems unterwegs und hat, wo möglich, Planeten terraformt und besiedelt. Connexion, eine mächtige, geheimnisvolle Gesellschaft, kontrolliert die gesamte digitale Welt, steuert und überwacht den Personen- und Datenverkehr auf der Erde und zwischen den Welten. Im Jahr 2144 stoßen die Menschen auf ein riesiges Raumschiff, mit dem die Olyix, eine uralte Rasse, unterwegs ist zum Ende des Universums. Man begegnet sich zunächst friedlich und beginnt einen regen Tauschhandel, auf Seiten der Menschen mit Antimaterie zum „Auftanken“ der Raumarche, im Gegenzug erhalten diese fortgeschrittene Technik, sogenannte K-Cells, die lebensverlängernde Maßnahmen und eine sprunghafte genetische Aufrüstung ermöglichen. Neben der traditionellen „Universalkultur“ auf der Heimaterde, wo es noch genauso ungemütlich zugeht wie heute, hat sich von daher in den Sternen eine friedvolle „Utopialkultur“ mit beidgeschlechtlichen Menschen entwickelt. Die Kernfrage ist: Meinen die Olyix es letztlich wirklich ehrlich mit den Menschen oder haben sie ganz andere Absichten? Als 2204 auf einem erschlossenen Asteroiden ein weiteres gestrandetes Raumschiff entdeckt und untersucht wird, macht man dort erschreckende Feststellungen, die alles außer Kontrolle geraten lassen. Zur zweiten Handlungsebene in der Zukunft nur so viel, dass die Menschheit, inzwischen in höchster Bedrängnis, komplett für einen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner aufrüstet. Wie immer bei Hamilton wird auch hier eine Handvoll tragende Figuren mit deren individueller Historie über Rückblenden dezidiert vorgestellt und in die zunächst mal wieder bewusst kompliziert verschachtelte Geschichte eingebunden. Intensive eigene Kopfarbeit des Lesers zumindest zu Beginn ist also gefragt (ein unterstützendes Personenglossar fehlt), da macht der Autor keine Zugeständnisse. Wie gewohnt springt er rasant von einer Geschichte zur anderen, wobei eine gewisse, für ihn typische Techniklastigkeit und Wissenschaftsverliebtheit einzelner Abschnitte direkt danach durch tolle Actionsequenzen mit ausgefeilten Waffensystemen kompensiert wird. Die wichtigen Personen sind fein heraus gearbeitet, die Sprache und die Dialoge situationsangemessen genauso elaboriert wie knallharter Straßen- und Gangsterjargon. Das hat er einfach drauf! Und ein inzwischen gut gereifter, mal unterschwelliger, mal sarkastisch-anklagender Humor des Autors scheint immer wieder durch, gerade in den verklärten Rückblenden auf die ferne Vergangenheit und die Beschränktheit der Menschen im 20./21. Jahrhundert. Einfach nur köstlich, wenn die Mitglieder einer Eliteeinheit zusammenlegen, um eine historische Ducati 999 zu erwerben, mit der dann jeder auf einer zerfallenden Rennstrecke seine Runden drehen darf und alle neidisch auf die Fahrleistungen einer mitfahrenden Aprilia RSV4 1000 schielen. Oder wenn sich die beiden komplett genetisch aufgepeppten 170 Jahre alten Hauptprotagonisten darüber streiten, ob „Dark Side of the Moon“ oder „Wish you were here“ das bessere Album von Pink Floyd gewesen ist. Oder wenn sich ein unter Druck stehender amerikanischer Mitspieler auf einen mal schnell neu kreierten Verfassungszusatz beruft bzw. die amerikanischen Waffengesetze es inzwischen zulassen, dass im Land der Freien jeder unbescholtene Bürger durchaus waffenfähiges Material besitzen darf, solange er nur nichts daraus zusammenbastelt. Und wie immer sind die diversen losen Handlungsstränge sauber und sorgfältig verknüpft, hier wird nichts geschlabbert. Absoluter Clou und gelungener Unterbau des ganzen Szenarios ist allerdings, dass die Menschen es inzwischen geschafft haben, die Quantenraumverschränkung zu nutzen, sich selbst und Gegenstände nur noch über fixe oder tragbare „Portale“ hin und her bewegen, womit sie faktisch mit einem Schritt aus dem Bett ins Büro oder in den Urlaub wie auch auf einen fernen Planeten gelangen und hierüber dann endlich auch die ganzen schlummernden bzw. strahlenden Altlasten ihrer Vorfahren bequem ins All entsorgen können. Diese Idee wird hier in einer Vielfalt und technischen Raffinesse ausgeschlachtet, dass es einfach nur Spaß macht und vor allem ermöglicht es in der Handlung permanente rapide Ortswechsel, was der Spannung sehr zugute kommt. Insgesamt ein toller Einstiegsband, der absoluten Spaß auf die Folgebücher macht.