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kupfisbuecherkiste

Posted on 11.6.2020

Paula hat ein sehr inniges Verhältnis mit ihrem Bruder Tim. Als Tim mit den Eltern in die Niederlande zu einem Badeurlaub fährt, verbringt Paula die Zeit parallel auf einem Festival. Doch die Eltern kommen ohne Tim zurück, denn der ist bei einem tragischen Badeunfall ums Leben gekommen. Die Trauer um Tims Verlust prägt die ganze Familie, besonders Paula. Wegen Tims Freue an der Unterwasserwelt hat Paula ein Biologiestudim angefangen, das sie jedoch erstmal auf Eis gelegt hat. Denn ihr fehlt die Kraft am weiterleben. Ihre Gedanken kreisen immer wieder darum, dass sie ihren Bruder nicht beschützen konnte. Sie hat das Gefühl, ihren Bruder im Stich gelassen zu haben. Als Paula dem Rat ihres Therapeuten folgt, Tim auf dem Friedhof zu besuchen, erklärt sie diesen für verrückt. Eines nachts lässt Paula jedoch der Gedanke nicht los, und sie steigt über die Friedhofsmauer. Was sie dort erlebt, verschlägt ihr die Sprache: ein älterer Herr buddelt eine Urne aus, und will damit flüchten. Da der Friedhofswärter im Anmarsch ist, hilft sie dem Mann zu fliehen. Dieser stellt sich als Helmut vor, und erklärt Paula kurzerhand seinen Plan. Da Paula nichts weiter vorhat, hilft sie Helmut, dessen Versprechen an seine verstorbene Frau umzusetzen. Es beginnt eine Reise zu ihr selbst. Mit „Marianengraben“ hat Jasmin Schreiber einen Roadmovie geschrieben, der mich umgehauen hat. Es ist eins dieser Bücher, bei dem man seitenweise Gefühlsausbrüche hat. Man weint, man lacht, und das meist abwechselnd. Kaum hat man sich die Tränen weggewischt, lacht man, und kaum ist man mit Lachen fertig, weint man schon wieder. Die Geschichte ist eine, bei der der Leser erlebt, was der Verlust eines geliebten Menschen auslösen kann. Helmut und Paula haben in der Vergangenheit Abschied von sehr nahestehenden Menschen nehmen müssen, und reagieren doch sehr unterschiedlich auf diese Verluste. Auch im Hinblick der Zeit werden die Unterschiede ausgearbeitet. In unterschiedlichen Generationen wird anders mit Verlust umgegangen, nicht immer kann eine Therapie oder Gespräche helfen. Der Vergleich mit einem tiefen Graben, in dem man von einer Krake heruntergezogen wird, tief in die Schwärze der Nacht, trifft es auf den Punkt. Gegen den Sog, der einen fest umklammert, kann man kaum ankämpfen. Die Trauer um den Verlust kann einen sehr weit herunter ziehen. Den einen, ultimativen Weg, sich von dieser Trauerkrake zu befreien, wird es nicht geben. Das darf Paula erfahren. Die Therapie schlägt nicht an, auch ihre Familie findet keinen Zugang mehr zu ihr. Erst als sie sich auf Helmut und seine Macken und Denkanstöße konzentrieren kann, löst sich die Krake. Bezeichnend fand ich die Frage, wie es mit Paulas Lebenswillen steht. Immer wieder konfrontiert Helmut seine junge Begleiterin mit der Frage, ob sie wirklich sterben will, oder ob der Wunsch, weiterzuleben größer ist, auch wenn das Leben in Zukunft anders aussehen wird. Diese Geschichte ist aus dem wahren Leben gegriffen. Sie ist traurig, ehrlich und persönlich; sie ist traurig, und doch hinterlässt sie so viele Hoffnungsfunken. Sie hat kein HappyEnd und doch ist am Ende des Tunnels sehr viel Licht. Wer dieses Buch trotz seiner Emotionen nicht liest, hat definitiv etwas verpasst.

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