dajobama
Giovannis Zimmer - James Baldwin James Baldwin war ziemlich mutig, im Jahr 1956 diesen Roman zu veröffentlichen. Denn er selbst war schwarz, arm und homosexuell. Und er wagte es, über die Liebe zwischen weißen Männern zu schreiben. Doch es steckt noch so viel mehr in diesem Werk, das ich gar nicht alles erfassen konnte. Einfach weil mir dafür so viel Erfahrungswerte fehlen. Zur genaueren Interpretation hilft das sehr lesenswerte Nachwort von Sasha Marianna Salzmann. David verspürt schon früh homosexuelle Neigungen und flüchtet mehr oder weniger aus dem prüden Amerika nach Frankreich. Dort begegnet er in einer Pariser Bar Giovanni, dem er augenblicklich verfällt. Ohnehin gerade auf der Suche nach einer Bleibe, zieht er kurzerhand zu ihm. Sie verbringen eine atemlose Zeit miteinander, doch David kann seine tiefe Scham und Schuldgefühle nicht abstreifen. Genau so wenig aber kann er die Beziehung beenden. Als Leser merkt man schon bald, dass die Stimmung düsterer wird, David ist innerlich zerrissen, die Sache kann nicht gut gehen. Dann kehrt auch noch Davids Verlobte Hella aus Spanien zurück und David sitzt endgültig zwischen den Stühlen. Er kann mit keinem von beiden glücklich werden und spricht mit keinem über seine Gefühle. Wie ein Fähnchen im Wind will er es eigentlich beiden recht machen und schlittert geradewegs in die unvermeidbare Katastrophe. Baldwin hatte einen unheimlich tollen Schreibstil. Fesselnd und poetisch zugleich. Komischerweise konnte er mich mit seinem Vorgänger „Nach der Flut das Feuer“ nicht erreichen. Hier aber zieht er den Leser quasi in die Geschichte. Man spürt die innere Zerrissenheit seiner Figuren, deren Schuld und Schamgefühle. Es ist eine sehr männliche Geschichte, Frauen spielen nur eine geringe Rolle und kommen dabei auch nicht allzu gut weg. Wie man dem Nachwort entnehmen kann, ist dieser Roman autobiografisch inspiriert. Baldwin selbst liebte über Jahrzehnte einen anderen Mann, der diese Liebe nur zeitweilig teilte. Auch eine große Wut auf sein (und Davids) Heimatland Amerika kommt immer wieder durch. Im Amerika der 60er Jahre war die Liebe zwischen Männern verboten, im liberaleren Paris immer noch schwer verpönt. In diese große Scham über seine nicht akzeptierte sexuelle Orientierung mischt sich auch noch die Angst davor, in der Gesellschaft noch weiter abzusteigen, gar Angst um das eigene Leben. Eigentlich wünscht sich David nämlich eine ganz traditionelle Familie mit Kindern. Vielleicht einfach nur der Wunsch nach Sicherheit und gesellschaftlicher Akzeptanz. Ein mutiges und kluges Buch, ein Roman, der über all die Jahre nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Mich hat die Geschichte mit seiner Intensität und Eindringlichkeit beeindruckt. Es ist vor allem hintergründig anspruchsvoll und manchmal durchaus hart zu lesen, wie sehr David mit sich selbst kämpft und sich im Grunde doch selbst verachtet. 5 Sterne