Profilbild von derduftvonbuechernundkaffee

derduftvonbuechernundkaffee

Posted on 3.6.2020

Mit „Der bittere Trost der Lüge“, ist das zweite Buch in der neuen All-Age-Sparte des Festaverlages erschienen. Das Buch ist ein Mix aus authentischem Coming-of-Age-Sozialdrama und Milieustudie. Beginnen wir mit der Protagonistin Mary. Mit fünfzehn Jahren hat das Mädchen ihre Strafe abgesessen. Jeden Tag denkt sie an das, was damals passiert ist. Jede Nacht plagen Mary Albträume. Wenn Mary ihre kurze Jugend resümiert, gibt es nur wenige schöne Erinnerungen. Ihr Stiefvater hat sie jahrelang missbraucht, ihre Mutter ist psychisch erkrankt. Gewalttätigkeit, Putzzwänge, Depressionen, all das lässt sich nur leidlich mit Tabletten eindämmen. Auch an einem normalen Tag wirkt die Mutter überdreht und nicht in der Lage sich mit Problemen auseinanderzusetzen. Marys Mutter ist kein leichter Charakter. Zwar besucht sie ihr Kind unregelmäßig, und damit zeigt sie sich im Vergleich zu den Müttern der anderen Mitbewohnerinnen der Wohngruppe sogar noch relativ fürsorglich, doch während ihrer Besuche verhält sie sich distanziert. Sie spricht von ihrem nunmehr perfekten Leben, berichtet von ihrem neuen Ehemann, einem reichen Diakon. Sobald Marys Sorgen durchklingen, blockt sie ab. Marys Mutter ist eine scheinheilige Kirchgängerin, die sich als Unsympathin vor dem Herren präsentiert. Marys Leben war nie ein mit Rosenblättern bedeckter Weg gewesen; die geraubte Kindheit, die lebenslange Scham. Schon früh musste sie lernen, dass sich niemand um sie kümmert, stattdessen musste sie selbst alles tun, um für die Mutter zu sorgen. Das Buch schafft es, mit dieser realistisch wirkenden Protagonisten zu einer spannenden Charakterstudie zu werden. Die Autorin zeigt ein tiefergreifendes Interesse an der Psyche von Tätern und ihren Opfern sowie an den darin begründeten Ursachen sowie den schwerwiegenden Folgen. Die Figuren des Buches begegnen sich fast ausschließlich in existenziellen Situationen. Das Buch ist Thriller und Moralstücke in einem. Jenseits von Schwarz und Weiß. Obwohl Ermittlungen oder verzwickte Handlungen nicht die Hauptrolle spielen, zeichnet die Erzählung eine unglaubliche Spannung aus. Hauptsächlich liegt das an der Genauigkeit, mit der soziale Kontexte der Figuren und ihres Umfeldes mitgeteilt werden. Fazit: Tiffany D. Jackson schreibt mit, „Der bittere Trost der Lüge“ ein düsteres Meisterwerk, das Genregrenzen überwindet und eine präzise Charakterstudie darstellt. Freilich bekommt der Leser nichts geschenkt. Es wird ihm einiges abverlangt: Eine Tour de Force durch ein Dickicht einer beängstigenden Familiendramatik. Frei von Sentimentalität und Moralisierung legt Tiffany D. Jackson ein Brennglas über das Leben wirklich gestrafter Menschen. Nie nimmt sie ihre Leser bei der Hand und führt sie behutsam und mit direkten Verweisen unterstützend auf die „richtige Spur“. Vielmehr muss - ähnlich wie im wahren Leben - der Leser auch hier selbst über das Geschehen urteilen. Das Buch ist in vielerlei Hinsicht lesenswert.

zurück nach oben