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nina 🌸

Posted on 1.6.2020

Ein ganz besonderes Buch mit einem wichtigen und ernsten Thema, das unbedingt gehört werden sollte. Zur Geschichte: Man bemerkt bereits auf den ersten Seiten, dass dieses Buch anders ist als die üblichen Romane der Unterhaltungsbranche. Die Atmosphäre ist von Anfang an beklemmend und man spürt, dass hier etwas ganz und gar falsch laufen muss. Dieses Ungewisse hat mich sofort gefesselt, aber es dauerte eine Weile bis sich bei mir ein richtiger Lesefluss einstellte. Die Thematik ist sehr schwierig und definitiv keine leichte Kost. Viele Passagen und auch das gesamte Werk an sich waren für mich schwer zu verkraften, dennoch bin ich froh darüber, dieses Buch gelesen zu haben. Allerdings sollte sich jede*r wirklich gut überlegen, ob er*sie mit diesem Thema umgehen kann. Viele "schlimme Szenen" werden nur angedeutet und nicht ausformuliert, aber leicht zu ertragen war es trotzdem nicht. Emma Donoghue erzählt diese Geschichte authentisch und erschreckend ehrlich mit viel Feingefühl und kindlicher Naivität. Diese furchtbare und tragische Geschichte durch die Augen eines unschuldigen Kindes zu erleben macht dieses Buch so besonders! Jack's Gedanken, Gefühle und seine Sicht auf die Welt sind der Autorin unheimlich gut gelungen. Ich habe ihr auf jeder einzelnen Seite geglaubt, dass ein Kind es wirklich genau so sehen und empfinden würde. Die Geschichte von Jack und seiner Ma ist tragisch, berührend und ergreifend. Nach und nach erfährt man, was wohl passiert sein muss und es wurde immer schwerer weiterzulesen. Während des Lesens flossen bei mir viele Tränen und ich wurde unglaublich wütend auf die Welt und all die bösen Menschen, die in ihr leben. Daneben ist die Geschichte aber auch sehr packend und mitreißend. Ich habe mit Jack und seiner Ma mitgebangt, mitgelitten und gehofft, dass sie es schaffen würden. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, auch wenn mir das Lesen schwer fiel. Die erste Hälfte des Romans hat mir besser gefallen als die zweite. Zunächst erhalten wir ausführliche Einblicke in Jack' und Ma's alltägliches Leben der letzten Jahre mit detaillierten Beschreibungen ihrer Routine. Dabei wird Raum als ganze Welt, die Jack in ihm sieht, sehr gut eingefangen. Jedes Ding ist in seinen Augen einmalig und unersetzbar, das finde ich unglaublich faszinierend. Für uns ist diese Geschichte fernab der Realität und unvorstellbar, aber leider ist sie eben nicht so unrealistisch wie wir es uns gerne wünschen würden. Ganz im Gegenteil, in unserer realen Welt gibt es einige vergleichbare Fälle und gerade das macht dieses Buch so wichtig. Am erschreckendsten finde ich, dass solche Dinge in "normalen" Nachbarschaften geschehen und es trotzdem augenscheinlich niemand mitbekommt. Das macht mir doch sehr zu schaffen... Neben dieser einen großen Thematik werden subtil noch weitere gesellschaftskritische Themen wie beispielsweise die Lebensmittelverschwendung unserer Gesellschaft angesprochen. Auch Jack's Sicht auf unsere Welt hinsichtlich der Zeit fand ich sehr spannend und viel zu nah an der Wahrheit. !!! Achtung Spoiler !!! (gilt ausschließlich für den nachfolgenden Absatz) Auf mich wirkt es so, als hätte die Autorin wirklich sehr gut recherchiert. Nicht nur Jack's Gedankenwelt und Sichtweise wirken sehr authentisch, auch die Zeit im Therapiezentrum wird meines Erachtens realitätsgetreu dargestellt. Es lassen sich fundierte Kenntnisse in den Bereichen Traumabewältigung und Entwicklungspsychologie erkennen. Generell finde ich es sehr interessant, dass die Geschichte nicht einfach mit der Flucht endet, sondern sich die Hälfte des Buches der anschließenden Therapie widmet. Sowohl Jack's Reizüberflutung durch all die neuen Eindrücke und Impulse als auch seine Sehnsucht nach Raum werden unglaublich authentisch und nachvollziehbar dargestellt und beschrieben, ebenso Ma's Depression. !!! Spoiler Ende !!! Es gibt ein paar Details, die mich gestört haben und einige Szenen sind meinen Augen auch nicht perfekt gelungen, aber insgesamt wurde die Geschichte sehr gut umgesetzt. Gerade das Ende gefällt mir sehr gut, da es authentisch und glaubwürdig ist. Zu den Charakteren: Die Geschichte wird ausschließlich aus Jack's Sicht erzählt, was zunächst vielleicht etwas befremdlich ist, aber auch eine einmalige Chance. Durch ihn lernt man, seine eigene Welt ganz anders zu sehen. Jack ist gerade fünf Jahre alt geworden und ist für sein zartes Alter unglaublich klug und weise. Er versteht die Welt besser als manch ein Erwachsener. Jack ist neugierig, lebhaft und glücklich. So seltsam uns das auch erscheinen mag, aber ihm fehlt es an nichts. Seine Ma ist immer für ihn da und in Raum fühlt er sich sicher und geborgen. Wie sollte er auch etwas vermissen, das er gar nicht kennt? Als er dann davon erfährt bekommt er Angst, Angst vor dem Ungewissen und der Veränderung. Er will diese blöde weite Welt gar nicht kennenlernen, denn ihm und Ma geht es doch gut in Raum. Ma ist liebevoll, fürsorglich und wahnsinnig stark, weil sie all das Leid so tapfer erträgt und Jack um jeden Preis schützt. Sie liebt ihn bedingungslos und opfert sich regelrecht für ihn auf. Weiterhin ist sie im Umgang mit Jack unglaublich geduldig und einfühlsam trotz der katastrophalen Umstände. Emma Donoghue hat unglaublich authentische und vielschichtige Charaktere erschaffen, die faszinieren und von sich einnehmen. Zum Schreibstil: Die Autorin hat einen einnehmenden Schreibstil, der die Geschichte fesselnd und beklemmend zugleich wirken lässt. Sie schreibt eher distanziert, aber das macht die Geschichte nur noch ergreifender. Bei der Konjugation der Verben treten einige Grammatikfehler auf und die Artikel fehlen meist komplett, aber so spricht nun einmal ein 5-jähriges Kind. Ich fand das auch überhaupt nicht störend, sondern authentisch. Es macht die Geschichte echt und ausdrucksstark. Wenn man sich daran gewöhnt hat, stellt sich auch ein Lesefluss ein. Alles wird sehr detailliert beschrieben, was mir ungemein dabei half, mir alles gut vorstellen zu können. Fazit: Ein besonderes und einzigartiges Buch, das ich jedem nur empfehlen kann, sofern er*sie sich mit dieser ernsten Thematik auseinandersetzen kann. Die Geschichte wird sehr authentisch und einfühlsam erzählt und man merkt, dass die Autorin gut recherchiert hat. Die Darstellung von Jack's Weltsicht und seiner Gefühls- und Gedankenwelt ist Emma Donoghue unheimlich gut gelungen und ein wahres Highlight dieses Buches. Das Lesen ist beklemmend und ergreifend, aber es gibt einem auch unheimlich viel mit auf den Weg. 4,5/ 5 Sterne ⭐️

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