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Posted on 31.5.2020

Zynismus und Kommunismus Den flämischen Autor Dimitri Verhulst kannte ich bisher noch nicht, dabei scheint er recht bekannt zu sein und erhielt etliche Preise. Stilistisch ist er eine lohnende Entdeckung. Seine Sätze sind oftmals purer Hochgenuss. „Für den normalen, das heißt echten Proleten war der Gebrauch von weißer Schminke und Make-up etwas Anstößiges, verbunden mit der überwundenen Bourgeoisie und Hurerei. Doch Frauen, vor allem junge, kannten Kräfte, größer als die politischen. Sie standen der Natur näher, urweltliche Atavismen und Paganismen trieben sie zur verludernden Puderdose …“ Verhulst kann man sich auf der Zunge zergehen lassen, so zartschmelzend erreichen die feinen Aromen seiner gekonnten Boshaftigkeit die relevanten Hirnareale. Nicht ohne dabei sehr präzise den Inhalt auf den Punkt zu bringen. Diese satirische Abrechnung mit dem Kommunismus, en passant werden die Gräueltaten aufgezählt, so nebenbei, dass man sie fast überlesen könnte, wenn die Aufmerksamkeit kurz nachlässt, ist wirklich gelungen. Und da zeigte sich, dass mich diese geistvolle Witzigkeit tatsächlich beim Lesen ermüdete. Die Geschichte der Schriftstellerwitwe, die aus Rache die Werke des Gegenspielers ihres Mannes als Toilettenpapier benutzt, ist leicht enervierend. Dabei haut Verhulst fast auf jeder Seite Sätze raus, die sich als Zitat eignen, voller Esprit und Perfidie gewährt er Einblicke in die Auswirkung der damaligen UDSSR auf ihre Vassallenstaaten und die Lebenswirklichkeit unter dem Regime, die akutes Unwohlsein hervorruft. Tatsächlich half mir nach etlichen Seiten die ganze wunderbare Sprache nicht „Das Leben, von unten gesehen“ zu beenden. Die Protagonistin, so sehr ich skurrile Gestalten mag, ging mir immens auf die Nerven, ich wollte von ihr nichts mehr hören. Die Geschichte war mir zu satirisch, zu überspitzt, zu bemüht in ihrer „Witzischkeit“, der Ton lud nicht zum Verweilen, war für mich eher eine Aufforderung zu rascher Flucht. Und so liegt das schmale Büchlein nun da und starrt mich vorwurfsvoll an. Endgültig ausgestiegen bin ich auf Seite 93 nach folgender Kapiteleinleitung: „Während der Zweite Weltkrieg sich seinem Ende näherte und dies mit einem großen Feuerwerk über Hiroshima feierte, hatte man in Bulgarien unauffällig, doch umso eifriger an der nächsten Generation Konzentrationslager gebaut.“ Dieser überbordend erzählende Zynismus ist nicht meins. Zu viel beiläufig erzähltes Grauen. Die kettenrauchende, promiske Liliya Dimowa sollte ihr vermeintlich subversives Tun ungehört fortsetzen. Für Menschen, die wirkliches Interesse an Bulgarien haben und noch erfahren müssen, dass der Kommunismus auch schreckliche Gräuel nach sich zog, ein anderes Verständnis von Witz und Ironie haben, ist Verhulsts Werk sicher bereichernd. Mögen sie dem allwissenden Erzähler getrost folgen. Sprachgewandt und wortwitzig ist er.

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