buchgespenst
Pontius Pilatus ist als eine zentrale Figur des Neuen Testamens jedem ein Begriff – aber wer war der reale römische Präfekt? Die Quellenlage ist dürftig. Vereinzelte Randbemerkungen, eine gefundene Inschrift, Pilatus‘ Rolle in der Geschichte scheint unbedeutend zu sein. Die Fakten zu den im Neuen Testament beschriebenen Szenen sind ebenfalls mehr als fragwürdig. Behutsam bettet Ralf-Peter Märtin die so bekannte und so wenig belegte historische Gestalt in ihren Kontext ein. Pilatus muss einen bestimmten Weg gegangen sein, um schließlich als Präfekt von Judäa in Erscheinung zu treten. Dieser Lebenslauf wird anhand antiker Quellen glaubwürdig konstruiert, immer wieder unterstützt von den wenigen Informationen, die tatsächlich vorliegen. Als Leser wird man sofort gefesselt. Die romanhaften Züge bringen Spannung in die Konstruktion ohne sich tatsächlich in die Fiktion des historischen Romans zu flüchten. Besonders die Rahmung durch ein Vorwort, das sowohl die Textgeschichte des Neuen Testaments als auch die Quellenlage zu Pilatus erläutert und ein Schlussteil, der eine illustrierte historisch-archäologische Exkursion darlegt, rücken die wenig greifbare Gestalt des Pilatus in ein völlig neues Licht. Interessant, erhellend und auf jeder Seite fesselnd. Zu schade, dass der Hauptteil ein Konstrukt bleiben muss – glaubwürdig, aber fiktiv.