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SternchenBlau

Posted on 27.5.2020

Schwacher Anfang – richtig stark bei den ambivalenten Figuren Das eBook von „Die letzte Dichterin“ lag jetzt schon ein paar Wochen auf meinem Handy. Ich hatte bereits einmal ein paar Seiten angefangen, aber es hat mich nicht so wirklich gepackt. Letztens konnte ich nicht schlafen, meine Bücher lagen aber im Wohnzimmer und ich wollte nicht rübergehen um nicht noch wacher zu werden. Also startete ich meinen zweiten Versuch. Erneut fand ich „Die letzte Dichterin“ erstmal nur ganz nett. Minna und Finn, zwei der Hauptprogatonist:innen, fand ich ziemlich farblos. Bei Minna kam hinzu, dass ich zwar wie viele bibliophile Menschen Geschichten über Bücher und das Geschichtenerzähler zwar mag, ich aber schnell gelangweilt werde, wenn es mir dieses Thema zu selbstreferentiell von den Autor:innen behandelt wird. Haben die keine anderen Themen, frage ich mich dann. Das war hier leider weitgehend der Fall, erst recht, weil dazu hier recht schnell der „Erklärbär“-Modus ausgepackt wird. Das Zitat stammt aus dem 2. von 56. Kapiteln: „Minna würde die Menschen manchmal am liebsten schütteln, damit sie es begriffen. Sie alle wollten die Magie zurück, den einstigen Ruhm und Wohlstand, aber Musik und Kunst und Poesie, der Ursprung jener Magie, galt in den Augen der Menschen als vergänglich, unpraktisch, sinnlos. Es gab Wichtigeres zu tun, als Fantasie zu schätzen oder gar zu fördern. Und so hatten sie das Schicksal der schwindenden Magie selbst erwählt.“ Recht viel mehr Diskurstiefe liefert das Buch leider auch später nicht. Zudem hat die Welt zunächst wenig Neues zu bieten. Phantopien ist ein Land im Niedergang, mehr oder minder mittelalterlich, nicht viel Neues also. Positiv fand ich, dass Königinnen dort total normal sind ebenso wie eine Gleichberechtigung der Geschlechter. Leider gibt es keine PoC (People of Color). Gestolpert bin ich über ein paar Stellen, wo mir zu viel auf billigen Effekt gesetzt wurde. Ein Kapitel endet z.B. mit dem bedeutungsschwangerem Satz aufhört: „Er hatte die Namen gesehen.“ Warum vergeudet die Autorin zwei - aus Minnas Sicht aufeinanderfolgende – Kapitel mit der Schilderung des Morgens. Ich habe im ersten Moment wirklich gedacht, ich hätte in Kapitel überlesen. Erst heißt es, sie hätte kein Geld mehr, dann kann sie sich aber Ersatz für ihre (magisch) verschwundenen Socken kaufen. Der Duft der König wird thematisiert, aber nie aufgelöst. Aber, – jetzt kommt endlich das Aber – mochte ich den Schreibstil von Katharina Seck. „Die Königin konnte sehen, wie sich all diese Gedankengänge in seinem Kopf überschlugen, und sie hätte gern gelacht. Es war nicht sie als Person, die den jungen Boten in Schrecken versetzte, sondern seine Fantasie. Er malte sich all die Szenarien aus, von denen er glaubte, dass sie vielleicht eintraten. Szenarien, die sie ihm antun konnte, wenn sie mit den Fingern schnippte.“ Also habe ich weitergelesen – zum Glück, möchte ich sagen. Denn bei den scheinbar bösen Figuren ist Seck eine sehr differenzierte Schilderung gelungen. Da ich finde, dass es es gerade zu wenige ambivalente Frauenfiguren gibt, war das für mich ein Vergnügen zu lesen. Im letzten Drittel nimmt das Buch zudem eine sehr eindringliche Spannung auf. Niemand ist der Bösewicht seiner eigenen Geschichte, und das setzt Seck wirklich sehr gelungen um. Dieser Aspekt alleine hätte locker 5 Sterne verdient. Das Ende hätte für mich ruhig etwas offener sein können (obwohl ich das sonst nicht unbedingt mag), so wurde leider wieder alles in nette Bahnen gelenkt. Das schwächte das Buch für mich dann leider wieder ab. Fazit Wie gehe ich da nun bei der Gesamtbewertung damit um? Das erste Drittel war nur nette Unterhaltung, die zwei scheinbaren Hauptfiguren etwas fad. Aber bei der differenzierten Schilderung der ambivalenten Figuren konnte mich Seck gerade im letzten Drittel dann wieder begeistern. Ohne die letzten Seiten wäre ich dann bei 3,5 Sternen gelandet und hätte aufgerundet. So sind werden es sehr gute 3,4 Sterne.

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