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inavainohullu

Posted on 25.5.2020

Als Liss eines Tages in ihrem Weinberg steht und sich der Hänger ihres Traktors verhakt hat, kommt ein wütendes Mädchen des Weges entlang gestapft. Schwer bepackt und scheinbar zornig auf die ganze Welt. Liss bittet sie um Hilfe und bietet ihr kurzentschlossen an, auf ihrem Bauernhof zu übernachten, wenn sie ein Zimmer braucht. Sally, die einfach losgelaufen ist, voller Zorn auf ihre Eltern, auf Therapeuten, auf Menschen, die sie einfach nicht verstehen oder verstehen wollen, nimmt Liss' Angebot an und ahnt nicht, dass diese Begegnung ihrer beider Leben verändern wird. Ewald Arenz hat mit ALTE SORTEN ein unglaublich komplexes Werk geschaffen, obwohl es sehr nüchtern geschrieben ist. Er verzichtet auf ausschweifende Worte und Erläuterungen und dennoch passiert zwischen den Zeilen so viel. Weder Liss noch Sally sind Freunde großer und vieler Worte. Sie leben beide in sich zurückgezogen und obwohl Sally erst nur eine Nacht auf dem Hof bleiben will, beginnt sie schnell, sich in Liss Gegenwart irgendwie wohlzufühlen. Liss ist keine besonders feinfühlige Person, zerfressen von eigener Schuld, immer am Hadern mit sich selbst und ihrem Leben, aber sie lässt Sally sein wie sie ist. Erträgt ihre Wutausbrüche, bindet sie in ihren Alltag ein, ohne auf etwas zu bestehen. Und Sally fühlt sich dadurch zum ersten Mal in ihrem Leben verstanden und vollständig akzeptiert, obwohl sie Liss auch manchmal etwas seltsam findet und gerne unter die Oberfläche blicken würde. Die Frauen nähern sich, trotz all ihrer Distanziertheit im Verlauf der Geschichte an und es entsteht eine Freundschaft, die sie, da bin ich sicher, für den Rest ihrer beider Leben begleiten würde, wären sie reale Figuren. Die Geschichte wird aus beiden Sichten erzählt, was mir sehr gefallen hat. Sally entdeckt immer wieder neue Dinge, lernt durch Liss' Arbeiten auf dem Hof unglaublich viel, dass sie irgendwie erdet. Sei es der Umgang mit Bienen, das Brennen von Schnaps oder die Tatsache, dass es mehr Birnensorten gibt, als man zählen kann. Dieser landwirtschaftliche Einblick war ein Punkt, der mir richtig gut gefallen hat und der mich sehr an meine Kindheit erinnert hat, als ich mich besonders am Wochenende gerne auf den Höfen meiner Freunde herumgetrieben habe. Es ist ein besonderes Buch, das vor Atmosphäre nur so strotzt, das auch durchaus Spannung mitbringt, besonders im letzten Drittel und das mich einfach von der ersten bis zur letzten Seite für sich einnehmen und von sich überzeugen konnte. Ganz klare Leseempfehlung !

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