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schnick

Posted on 24.5.2020

"1793" war das unglaublich starke, wenn auch grausame Debüt des schwedischen Schriftstellers Niklas Natt och Dag. Der Roman war hart, aber dabei unterhaltsam, fesselnd und entwickelte einen Sog, dem ich mich als Leserin schwer entziehen konnte. Umso erfreuter war ich, als ich entdeckte, dass es die Fortsetzung "1794" schon auf den deutschen Markt schaffte. Offenbar lief das Debüt auch hierzulande so gut, dass der Verlag Piper sich ins Zeug legte und den Nachfolger möglichst schnell auch hier veröffentlichte. "1794" ist ein guter Roman, eine gute Fortsetzung. Aber so mitreißend wie "1793" ist er nicht. Dass ich vier Monate brauchte, ihn endlich zu Ende zu lesen, sagt viel über die Qualität aus. Dabei bleibt Natt och Dag seinem Stil - auch und vor allem sprachlich - treu. Der Krimi ist wieder in vier Jahreszeiten aufgeteilt. Es tauchen viele - vielleicht zu viele - Bekannte aus dem ersten Teil auf. Das große Manko ist jedoch, dass bereits nach dem ersten Kapitel klar ist, wer hinter dem Mord steckt und was das Motiv ist. Es gibt für die Leser*innen keine Rätsel zu lösen. Allenfalls fragt man sich, warum der junge Herr Drei Rosen so dämlich ist. Aber das ist nebensächlich. Das Szenario, dass die Leser*innen bereits Mörder und Motiv kennen, während der oder die Ermittler*innen noch im Dunkeln tappen, kann funktionieren. Im Fernsehen ist die Serie "Columbo" ein hervorragendes Beispiel. Aber dann muss der Weg des oder der Ermittler*innen interessant und fesselnd genug sein, um die Leser*innen bei Laune zu halten. Während "1793" also sein grausamstes Geheimnis (Spoiler: Der junge amputierte Mann war bis zu seinem Tod bei Sinnen) erst zum Ende hin offenbarte, wird das Geheimnis in "1794" bereits am Anfang erzählt. Ich hatte ehrlich gesagt während der Lektüre immer wieder die Hoffnung, dass sich irgendetwas Neues ergeben würde, irgendetwas, das wir uns nach dem ersten Abschnitt nicht schon zusammenreimen konnten. Ich hatte die Hoffnung auf ein bisschen Finesse, auf irgendeine Überraschung. Aber leider bietet "1794" genau das nicht, so dass ich das Buch über weite Strecken schlicht und ergreifend als öde empfand. Kein Wunder also, dass ich immer wieder lange Pausen zwischen den Abschnitten einlegte. Dazu kommt der nüchterne Sprachstil von Natt och Dag. Konnte ich dem in seinem ersten Roman noch einiges abgewinnen, weil die Geschichte selbst verdammt gut war, trägt der Schreibstil zur Höhepunktlosigkeit bei. Sicher: Die Hintergründe des Mordes sind grausam. Aber nichts am Buch ist raffiniert, nichts ist mitreißend, nichts zwingt die Leser*innen, doch noch ein paar Seiten weiterzulesen, obwohl sie dringend schlafen oder etwas erledigen müssten. Es gibt keine Sogwirkung. Erfreulicherweise ist es Natt och Dag aber immerhin wieder gelungen, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse Schwedens und insbesondere Stockholms des Jahres 1794 auferstehen zu lassen. Das macht zugegebenermaßen nach wie vor einen großen Reiz aus. Für Reaktionäre oder Romantiker sind weder "1793" noch "1794" geeignet, denn das Leben damals war brutal - und wird schonungslos von Natt och Dag beschrieben. Mich hat "1794" nicht gepackt. Der Roman hat seine Momente, aber letztlich wurde das Pulver bereits im ersten Viertel verschossen. Wäre dies der Erstling gewesen, hätte ich einer Fortsetzung nicht entgegengefiebert.

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