Babscha
Albrecht Dittrich wird 1949 im Osten Deutschlands geboren, mitten hinein in eine instabile, nachkriegsgeprägte und von der sowjetischen Besatzungsmacht gesteuerte Welt mit einer marxistisch-leninistischen Ideologie, die alles Westliche ablehnt und verteufelt, ganz vorne natürlich den Erzfeind Amerika. Nach einer eher freudlosen Jugend mit verständnislosen, emotionsarmen Eltern wird er zum Senkrechtstarter in der Schule und später an der Uni Jena zum Vorzeigestudenten, was das Interesse des KGB weckt, der ihn dann, gut infiltriert mit ausgeprägter klassenkämpferischer Grundhaltung, zum Wohle des Sozialismus rekrutiert, ausbildet und sodann als verdeckt operierenden Spion in die Vereinigten Staaten von Amerika schleust, um dort Fuß zu fassen und möglichst Kontakte zur politischen und wirtschaftlichen Oberschicht aufzubauen. Mit Einreise in die USA in 1978 wird seine alte Identität ausgelöscht, er lässt in Deutschland alles zurück, pendelt über verschlungene Wege nur noch nach Moskau zur Berichterstattung und schafft es tatsächlich, sich im Laufe von zwanzig wechselhaften Jahren in den USA eine neue Existenz unter dem Namen Jack Barsky aufzubauen, allerdings unter Inkaufnahme vieler persönlicher Verluste. Als er in 1997 vom FBI enttarnt wird, bricht das ganze Kartenhaus zusammen. Barsky legt mit seiner Autobiografie eine faszinierende Lebensbeichte vor, die mit äußerst interessanten Fakten aus den Wirkmechanismen und Machenschaften des KGB aufwartet und dabei viele Einblicke in die verrückte, hochkomplizierte Welt der Spionage während des Kalten Krieges gewährt. Das Buch dient dem Autor ganz offensichtlich aber gleichzeitig als Rechtfertigungsmittel für seine eigene jahrzehntelange, angabegemäß ungewollte, weil völlig naive Verblendung mit Verschreibung an den Sozialismus, von dem er sich in den USA zwar später sukzessive distanziert und dabei zum glühenden Verfechter sowohl des amerikanischen Traums wie auch des christlichen Glaubens transformiert, auf dem Weg dorthin allerdings im persönlichen Bereich offenen Auges jede Menge „verbrannte Erde“ zurücklässt, primär in Form verlassener Frauen mit von ihm gezeugten Kindern. Hierzu mag jeder Leser sich sein eigenes Urteil bilden; was mich bei der gerade im letzten Drittel des Buches sich stetig verstärkenden „mea-culpa-Mentalität“ bei der Aufarbeitung seines Lebens allerdings leicht gestört hat, war die trotz allem immer wieder durchscheinende innere Abgeklärtheit und Selbstgerechtigkeit seines Berichtes wie auch die von Anfang bis Ende offensichtlich unvermeidliche permanente Aufwertung und Betonung seines ach so brillanten Intellekts, der ihn als einen der hellsten Köpfe der DDR klassifizierte und ihm auch später in den USA zu einer steilen Karriere in der Versicherungswirtschaft verhalf. Weniger wäre eben manchmal durchaus mehr, gerade bei Biografien. Insgesamt aber ein absolut lesenswertes, spannendes Buch, das einem dieses inzwischen auch schon einiges zurück liegende Stück Zeitgeschichte nochmal plastisch nahe bringt.