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SternchenBlau

Posted on 20.5.2020

„Nur allein dadurch, dass wir andere Produkte kaufen und verkaufen, ändert sich das zerstörerische Prinzip, nach dem unsere Welt heute funktioniert, eben noch nicht.“ Gegen dieses Grundproblem ist außer des kompletten Umbau des vorherrschenden Wirtschaftssystems noch kein Kraut gewachsen. Mit ihrem Buch „Faironomics - Ökologisch, fair und frei“ geben Ilona Koglin und Marke Rohde Unternehmern und Projektgestaltern passende Bausteine mit auf den Weg. Wichtig: Erwartungshaltung an das Buch Um Enttäuschungen zu vermeiden, ist es ganz wichtig den Untertitel ernst zu nehmen: „Wie du in 8 Schritten dein Traumprojekt verwirklichst und damit die Welt verändert“. Es geht in nämlich um die Umsetzung in konkreten Projekten, das heißt, das Buch richtet sich an (potentielle) Freiberufler*innen, (Sozial-)Unternehmer*innen, Aktivist*innen oder Menschen, die sich in NGOs oder Vereinen engagieren wollen. Für Leser*innen, die auf der Suche nach Anregungen für ihr Handeln ad hoc im Privaten sind, haben die beiden Autor*innen bereits „Und jetzt retten wir die Welt“ und „Gärtnern für eine bessere Welt“ veröffentlicht. Und ja, das ganz Konkrete, was man tun soll, das überlässt das Buch dem*der Leser*in, denn das jede*r für sich finden. Dafür gibt das Buch genügend Anregungen mit auf den Weg. Selbstverständlich bedienen sich die beiden Autor*innen immer wieder bekannter Techniken aus dem Projekt Management: Ihr Buch gibt daher einen tolle Übersicht, gerade für Einsteiger. Für erfahrenere Leser in diesem Bereich bündelt sie diese Aspekte und liefert diesen durch den ökologischen und gerechten Ansatz einen echten Mehrwert. Am eigenen Beispiel Koglin und Rohde waren mit ihren eigenen Tätigkeiten unzufrieden und wollten diese ökologisch und fair verändern. Ihr Buch zeichnet daher auch ihre „Lernreise“ nach und die beiden flechten immer wieder persönliche Erfahrungen und Entwicklungen ein. Und sie betonen, dass schon kleine Schritte wichtig sind: „Wir dürfen und können nicht auf den einen großen Wurf, den alles verändernden Befreiungsschlag oder die schicksalswendende Revolution warten. Im Gegenteil. Die Geschichte zeigt, dass das bislang immer schiefging. Stattdessen müssen wir die Grenze zwischen Realismus und Utopie suchen – auch wenn das nur ein erster Schritt in Richtung unserer Vision ist und voller Mängel und Kompromisse.“ (S. 52) Dabei brechen die beiden die großen Themen bis in den persönlichen Bereich herunter, z.B. dass man die Life-Work-Balance ebenfalls stärker in den Blick nehmen muss. Eine Möglichkeit ist, sich vor Projektstart mit dem „leistbaren Verlust“ auseinanderzusetzen. Die Zwischenüberschrift lautet: „Auszeiten sind politisch.“ Tolles Design in Cradle-to-Cradle Allein mit der Produktion des Buches setzen die Autor*innen ihre Grundsätze selbst um, denn es ist Cradle-to-Cradle hergestellt und kommt dazu ohne Folieneinschweißung aus. Das Design ist durchweg stylisch, übersichtlich und edel. Die Infografiken, Übungen und Sonderseiten sind im schlichten und edlem blau, weiß und schwarz gehalten. Schon beim ersten Aufblättern dachte ich mir: „Wow, was für ein schönes Buch!“ Öko kann eben wunderschön sein. Held*innen für eine gerechtere Welt Die Autorin lassen außerdem Held*innen für eine gerechtere Welt zu Wort kommen, einerseits zitieren sie diese und lassen ihnen Platz für ganzseitige Kommentare: Jakob von Uexküll, Begründer des Alternativen Nobelpreises, Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie, Cesy Leonard, Chefin des Planungsstabs des Zentrums für Politische Schönheit, Sozialunternehmer Norbert Kurz, Viva Dittmar, Gründerin der Be-the-Change-Stiftung, Bas van Abel, Entwickler des Fairphones, Vorreiter unter den Social Entrepreneurs Günter Faltin, und viele mehr. Und bei allen Kommentaren bieten Links die Möglichkeit, zu diesen Themengebieten weiterzulesen. Komplex mit viel Stoff zum Nachdenken Weil die Autoren einen wilden Ritt durch viele Themengebiete machen, können sie natürlich nicht immer in die Tiefe gehen. Bei „Crowdfunding“ hat mir bspw. gefehlt, wie viel Arbeit das macht. (Viele sagen, zwei Monate Lohnarbeit bringen einen ähnlichen Effekt.) „Faironomics“ gibt aber immer auch gute Literaturhinweise wie aufs Crowdfunding-Handbuch von Ulrike Sterblich, Tino Kreßner, Anne Theil und Dennis Bartel. Obwohl das Buch ja konkrete Einregungen für das individuelle unternehmerische Handeln gibt, betrachten Autor und Autor auch makroökonomische Betrachtungsweisen und die Tatsache, dass man scheinbar unumstößliche Dinge auch komplett anders denken kann: Neben Grundeinkommen stellen die beiden Autor*innen z.B. die Idee der „Allmende“ vor, bei denen sich alle Nutznießer*innen bspw. eine Wiese oder einen Wald teilen. „Faironomics“ lässt sich nicht an einem Nachmittag lesen und ich habe mehrere Wochen dafür gebraucht, weil es mich wirklich gefordert hat. Erst recht, weil die eigentliche Arbeit in den Übungen liegt, für die man Stunden bis Tage braucht, was im Projektmanagement ja auch nicht ungewöhnlich ist. Und das schafft man nicht beim Lesen nebenbei. Eine dieser Übungen heißt „Verstehen lernen“ (S. 104): „Was steckt hinter den Dingen? Mach dir bewusst, was dein Büro für dich und die Welt bedeutet.“ Als Dauer sind dafür 30 Minuten angegeben, die man pro Objekt im Büro aufwenden musst. Und wenn man das richtig machen will, braucht es das auch, finde ich. Ich muss aber gestehen, dass ich das noch nicht durchgezogen habe. Aber eigentlich sollte man sich die Zeit nehmen, weil manchmal muss man erstmal viel Zeit aufwenden, um Ressourcen zu sparen. Fazit Mit den Übungen ist „Faironomics“ ist in doppelter Hinsicht ein Katalysator: Das Buch gibt einem Rüstzeug in die Hand, um die eigenen Ideen schneller umzusetzen – und dazu noch nachhaltig. „Faironomics“ ist erhellend und motivierend. Ich empfinde das Buch daher als tolle Erinnerungshilfe, wofür und wie ich arbeiten möchte, und daher werde ich sicherlich immer mal wieder darin nachblättern und -lesen. Ich werde das Buch zudem auch Kolleg*innen verleihen, ganz nach dem Prinzip, dass Teilen besser ist als besitzen. Und ich werde bald auch die anderen beiden Bücher von Ilona Koglin und Marke Rohde lesen. Mit der Einschränkung an den Leserkreis, den ich zum Anfang gemacht habe, kann ich „Faironomics“ wirklich von ganzem Herzen empfehlen und gebe 5 ökologische und faire Sterne. Und weil mir die Untätigkeit beim Abwenden der Klimakatastrophe und der Umgang mit dem Hambacher Forst in der Seele wehtun, zum Abschluss noch dieses Zitat: „Wie kommt es dass uns ein jahrtausendealter Wald und ein intaktes Klima weniger wert scheinen, als ein Arbeitsplatz, der ohnehin bald der Digitalisierung zum Opfer fallen wird?“ (S. 86)

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