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Posted on 19.5.2020

Hinter "Eins" steckt eine Thematik, über die sicherlich jeder schon einmal etwas gehört hat, die sonst aber selten Einzug im alltäglichen Leben und noch seltener im häuslichen Bücherregal findet. Grace und Tippi sind siamesische Zwillinge; zwei Individuen, die sich einen Körper teilen. Um einen Einblick in ihre Welt zu erhalten, lässt Crossan den Leser die beiden mithilfe von Grace' Gedanken begleiten: in der neuen Schule, im herzlichen aber problematischen Familienleben, unter ihren frisch gewonnenen Freunden und bei anstehenden Therapie- und Arztbesuchen.  Beim Lesen spürt man schnell, dass sich die Autorin sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat und somit die Gefühle der Protagonistin glaubwürdig beschreiben kann. Tippi und Grace stecken zwar gemeinsam in einem Körper, doch bedeutet dies keinesfalls, dass sie auch alles andere teilen. Grace ist ruhig, ein wenig verträumt und nachdenklich; Tippi dagegen wirkt wie ein Wildfang, eine taffe Rebellin mit kühlem Kopf. Grace mag Vanille-Joghurt-, Tippi lieber Kokosnuss-Schokoladen-Eis. Grace liest gerne Bücher; Tippi hört laut Musik. Und trotz all dieser Unterschiede, kann und will keiner ohne den anderen leben, denn selbst wenn es für Außenstehende so aussieht, als würden die beiden ein trauriges Dasein fristen, so denkt keiner der zwei an eine Trennung. Die Vorstellung eines zweiten Menschen, der da Tag und Nacht an deiner Seite ist, mag für die meisten eher ein Alptraum sein. Ich finde jedoch, dass Frau Crossan es dennoch geschafft hat, mir zu verdeutlichen, was für eine tiefe Verbindung zwischen (diesen) siamesischen Zwillingen herrscht. Wer Geschwister hat, wird dieses Gefühl vielleicht ansatzweise kennen, doch das Band, welches die beiden aneinander hält, ist so viel dicker und stärker, dass man es als "Einling" sicher nur bedingt nachvollziehen kann. Es ist also kein Wunder, dass diese Beziehung im Buch im Vordergrund steht. Allerdings erhalten wir auch mehr und weniger gute Einblicke in das Leben derer, die an Grace' und Tippis Seite stehen. Beispielsweise habe ich ihre kleine Schwester "Dragon" lieben gelernt, so rücksichtsvoll und diszipliniert wie sie ist; ein wenig zweifelhaft fand ich dafür den etwas zu philosophischen Jon (zu reif für 16 oder 17), der mir mit seiner unpassenden Art ein wenig die Suppe versalzte. Zum Schluss möchte ich noch auf eine Angelegenheit zu sprechen kommen, zu der ich normalerweise nur sehr selten etwas sage, weil sie es meist nicht wert ist, einen zusätzlichen Absatz an sie zu verschwenden. Diesmal halte ich es aber für notwendig, die wunderschöne Aufmachung des Buches zu loben. Die Habtik eines leinengebundenen Romans, Lesebändchen und ein Folienumschlag, der erst gemeinsam mit dem auf dem Buchdeckel gedruckten Cover ein Ganzes ergibt, machen dieses Werk zu einem wahren Augen- und Händeschmaus. Hinzu kommt der besondere, versenähnlich Stil, in dem das ganze Buch verfasst wurde und der selbst mithilfe der Form des Textes verdeutlicht, dass wir den rechten Zwilling der beiden begleiten (also linksbündig und später dann anders, aber mehr verrate ich nicht), schon kann man von einem kleinen Meisterwerk sprechen. Durch und durch.

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