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SternchenBlau

Posted on 18.5.2020

Édith als Pygmalion Liebe auf den ersten Blick sieht anders aus: „War sie womöglich die Einzige weit und breit, die etwas – eigentlich alles – an dieser Darbietung auszusetzen hatte? So weit konnten die Dankbarkeit der der Pariser und die damit verbundene Anbetung alles Amerikanischen doch nicht gehen! Einem Franzosen, der auf der Bühne des prestigeträchtigsten Musiktheaters der Stadt einen Hillbilly-Musikclown aus sich machte, konnte sie besten Willen und trotz ihres Sinns für Humor keinen Beifall zollen.“ Die Lehrmeisterin Doch dann sieht Édith in Yves den Rohdiamant in Yves Montand aufblitzen – und ihre Chance zu seiner Lehrmeisterin zu werden, zu Pygmalion oder Doktor Higgins, der diesen Rohdiamant formen kann. Dieser emanzipatorische Anteil hat mir sehr gut gefallen. Michelle Marly zeigt Édith Piaf weitgehend als eine unabhängige Frau, die sich gegen die Widrigkeiten des Lebens durchkämpft. Die Arroganz, die dabei immer wieder entsteht, gestehe ich ihr gerne zu, weil Marly zudem auch viele liebenswürdige Seiten zeigt. Diese Ambivalenz haben weibliche Hauptfiguren immer noch zu selten. Etwas anstrengend fand ich da allerdings, dass Édiths Gedanken fast immer auf Männer ausgerichtet schienen. Die Zeit Auch die Beschreibung der Zeit und der Umstände haben mir sehr gut gefallen: Auch nach Kriegsende in Paris war die Nazi-Zeit und die andauernden Kämpfe noch ihre Schatten auf die französische Hauptstadt. Piaf kämpfte zu der Zeit auch mit dem Vorwurf der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und einem drohenden Auftrittsverbot. Und gleichzeitig erwachte die Kulturszene langsam wieder zum Leben. Die Erzählhaltung Die auktoriale Erzählperspektive schildert Édiths Gedanken und Gefühle aus der dritten Person. Ihre Erinnerungen und Rückblenden fand ich allerdings zu informationslastig. Manchmal kam es mir fast vor, als wären Fußnoten einer Sachbuch-Biografie eingefügt, wobei die explizit geäußerten Einordnungen der Ereignisse mich sogar noch mehr störten. Ich muss aber auch sagen, dass diese Art von historischer Romanbiografie eigentlich sonst nicht so mein Genre ist. Roman versus gekürztes Hörbuch Trotzdem habe ich den Roman gerne gehört bzw. gehört (im Wechsel mit dem gekürzten Hörbuch, gelesen von Tessa Mittelstädt). Die Kürzungen betreffen oftmals nur einzelne Sätze oder Abschnitte. Trotzdem ist der Roman ein wenig farbenfroher und lebhafter dadurch. Und die Figuren bekamen für mich mehr Konturen. Fazit Das ist nicht ganz mein Genre, aber ich habe sehr viel Neues über Édith Piaf erfahren, manchmal aber zu sehr infolastig: Sehr gute 3 von 5 Sternen.

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