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mrstrikehardt

Posted on 17.5.2020

Per Zufall bin ich auf diese Aufsatz- und Vortragssammlung aus vier Jahrzehnten gestoßen. Für mich als Laie war sie insgesamt überraschend zugänglich und dadurch sehr erhellend. Die behandelten Themen sind unterschiedlich gelagert - sie reichen von Metathemen zur Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur über die Zeit der Aufklärung und des Zweiten Weltkrieg; zudem enthalten sie Würdigungen geschätzter Geistesgrößen bzw. Kolleg*innen und bieten dadurch unterschiedliche Zugänge zur Arbeitsweise von Reinhart Koselleck. Im titelgebenden Aufsatz „Vom Sinn und Unsinn der Geschichte" macht Koselleck deutlich, dass das relevante Gegensatzpaar nicht "Sinn und Unsinn" ist, sondern "Sinn und Sinnlosigkeit", weil dadurch die Betrachtungsweise verschoben wird. Gehen wir von der Sinnlosigkeit der geschichtlichen Ereignisse aus (weil alles immer auch anders hätte ausfallen können), lassen sich diese Ereignisse besser im Sinne von exakter und unvoreingenommener analysieren. Das bedeutet aber nicht, dass die Rekonstruktion mit den tatsächlichen Ereignissen deckungsgleich in sich zusammenfällt. Das wäre ein Fehler: "... die Wahrheit einer Geschichte ist immer eine Wahrheit ex post." (S.19) Was dann auch dazuführt, dass die Geschichten der Geschichte immer wieder neugeschrieben werden kann, weil neue Quellen erschlossen, Methoden etc. verfeinert werden oder, diese Gefahr sieht Koselleck deutlich, weil ideologische Vereinnahmung stattfindet. In den Aufsätzen "Formen und Traditionen des negativen Gedächtnisses" sowie "Der 8. Mai zwischen Erinnerung und Geschichte" fragt Koselleck, wen und wie erinnert werden soll. Seine Ansichten sind klug und argumentativ untermauert, fordern zum Weiterdenken und zum Widerspruch auf. Der Blickwinkel wird einerseits erweitert, wenn er schreibt, es gilt nicht nur den Opfern zu gedenken, sondern auch die "Taten und Täter" mitzubedenken. Anderseits frage ich mich, was folgt daraus, wie lässt sich beides in einem Denkmal vereinen. Das gleiche gilt für die Forderung allen Opfern des Zweiten Weltkrieges zu gedenken und keine Hierarchisierung der Opfergruppen (jüdische Bevölkerung, Sinti und Roma) vornehmen und gegeneinander ab- und aufwiegen. Kurzum: Die Lektüre lohnt sich, eben weil sie neue Sichtweisen aufzeigt und zum Nachdenken anregt. Was diesem Buch leider fehlt, ist ein in in die Arbeit von Koselleck einführendes Vor- bzw. Nachwort. Das vorhandene von Carsten Dutt erklärt lediglich die Auswahl der versammelten Schriften. Auch Übersetzungen der lateinischen Redewendungen wären wünschenswert gewesen.

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