Profilbild von gwyn

gwyn

Posted on 15.5.2020

Der erste Satz: «Hannah steht auf dem Gehweg vor dem S-Bahnhof Spandau und umklammert ihren Kaffeebecher.» Wenn ich über Cover rede, sind sie einmalig gut! Positiv auffällig, haptisch ein Erlebnis, unterscheidbar von allen anderen, ein Kunstwerk! Eine Autorin, die mit ihrem ersten Roman sehr positiv aufgefallen war – meine Erwartung an dieses Buch war hochgesteckt. Eine Geschichte, die anfangs packt, Lust auf mehr macht, doch Seite für Seite abflacht, langweilig wird und am Ende frage ich mich als Leser, was hier die Message war. Hannah zappt belanglos durch ihr Leben und die Autorin zappt von Baustelle zu Baustelle, ziemlich klischeehaft, obendrein recht trocken, distanziert, nicht Skurriles vorhanden, Berliner Dialekt ohne Charme und Humor. Vielleicht war das die Message: Nichts los hier, außer Rave. Hannah, fast 30 Jahre alt, hat ihr Soziologiestudium abgeschlossen und sucht theoretisch nach einem Job. Mit 30 muss ja man ja erwachsen sein, eine Zielvorstellung haben. – Und irgendwo muss das Geld herkommen – so steigt der Roman bei einem Zeitarbeiter-Job in der Retourenabteilung des Online-Händlers Zalando ein. Das klang vielversprechend. Die Protagonistin schnüffelt sich durch die Rücksendungen, sucht nach Flecken und Materialfehlern, sortiert nach: Ware zum Wegschmeißen (das meiste), zum Spenden (wenig), Second Hand (minimal), Wiederverkauf (kommt selten vor). Wer jetzt glaubt, hier folgt ein Buch über Arbeitsbedingungen in Zeitarbeit und / oder Onlinehändlern – zu früh gefreut. Der Job macht der Berlinerin keinen Spaß und sie geht nicht mehr hin. «Das Argument, dass er endlos viel Freizeit habe und sie kaum, weshalb er die Besorgung ihr zuliebe doch vielleicht tätigen könne, lässt ihn kalt und bewirkt höchstens, dass er mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck den Ram wechselt. ‹Ich habe keine Freizeit, ich habe Zeit, die ich für mich und meine Musik brauche.›» Hannahs Freund Moritz ist Musiker, Mitglied einer Band – er lebt mit sich und seiner Musik, mehr Raum gibt seine Welt nicht her. Aber er wollte schon immer einen Hund haben. Den findet er natürlich auch, entscheidet, ohne Hannah zu fragen: sein Hund, für den er sorgen wird. Es ist völlig klar, wer den Hund nun ausführen wird, sich um sein Futter kümmert, wer zu Hause bleibt, wenn beide ausgehen wollen, denn der Hund dreht völlig durch, wenn er alleine ist. Und wer ihn an der Backe hat, wenn Moritz auf Tournee geht. «Die beiden werden nie wieder über das Für und Wider dieser Anschaffung sprechen. Sie sind in das Tier verliebt und haben sich schnell der alles bestimmenden Aufgabe verschrieben, gute Hundeeltern zu sein. Zumindest auf Hannah trifft das zu.» Hannah bekommt wieder über die Zeitarbeit einen Job, in der Food-Abteilung des KaDeWe, backt nun Crêpes. Klar, auch das ist zu blöd, aber muss. Gut, dass eine Freundin gerade eine kleine Bar aufmacht, illegal. Ein Job als Barkeeper ist drin. Und so dümpelt Hannah ihr Leben weiter ziellos dahin, lässt alles mit sich geschehen, hier ein Job und da, durchzechte Ravenächte, vollgepumpt mit Alkohol und Drogen, am Ende Sex, der hinterher bereut wird. «Was kommt nach dem Rave?» Hier kreist jeder um sich selbst, mal weniger und mal mehr erfolgreich. Hannahs Handlungen werden immer unglaubwürdiger. Das Buch steckt voller Stereotypen und Klischees, was mich als Leser abschreckt, noch mehr, weil die Protagonistin lediglich getrieben ist, völlig unreflektiert, der innere Monolog fehlt – oder die Perspektive von außen. Es passiert dies und das, eins belangloser als das andere. Auf der einen Seite sorgt Hannah sich um die Zukunft und ihre Beziehung, auf der anderen Seite ist sie planlos, angepasst, extrem oberflächlich und dumm. Und somit wird die Protagonistin als fast 30-jährige mit Universitätsabschluss zur unglaubwürdigen Figur. Es gibt den ein oder anderen guten Satz, aber das reist das Buch nicht heraus aus der Belanglosigkeit.

zurück nach oben