ankasgeblubber
"Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe" setzt sich, ebenso wie "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" mit dem Thema Krebserkrankung von Jugendlichen auseinander, jedoch auf eine ganz andere Art und Weise, die aber nicht weniger schön, berührend, einfühlsam und mitreißend ist. "Gib niemals auf!" ist definitiv eine der Kernaussagen, die die Autorin wunderbar herausgearbeitet und transportiert hat. Wir lernen die bösen Schattenseiten der unbarmherzigen aber nicht komplett unbesiegbaren Krankheit kennen, wir sehen, dass es sich lohnt zu kämpfen, dass man selbst nach einer erneuten Niederlage nicht aufgeben darf - es kann alles wieder gut werden, es kann ... muss aber nicht. Zwei junge Menschen, beide an Krebs erkrankt, beide gehen anders mit ihrer Diagnose um. Lediglich getrennt durch eine dünne Wand, nähern sie sich an. Zac und Mia, Mia und Zac - zwei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten. "Mia hat die Gabe, mich dazu zu bringen, in der überraschenden, blendend hellen Gegenwart zu leben." (Zitat, S. 225) "Ich weiß nicht, wie er das macht - wie er mich die Uhr und die Schmerzen vergessen lässt. Manchmal, auch wenn es nur für ein paar Sekunden ist, gelingt es mir sogar, zu vergessen, wie beschissen mein Leben ist." (Zitat, S. 227) Mit einer unbeschwerten Leichtigkeit, die im absoluten Kontrast zu Zacs Erkrankung steht, beginnt die Geschichte. Wir lernen Zac und seine Mutter kennen, tauchen in ihren Krankenhausalltag ein und bewundern die Familie für ihre Stärke. Der Optimismus, der Mut, der Kampfgeist - all das ist deutlich spürbar. Nur nachts um drei, wenn alles still ist, Zac mal wieder nicht schlafen kann und deshalb durch diverse Krebsforen surft, wird uns bewusst, wie ernst es um ihn steht, wie grausam und unbarmherzig seine Krankkeit sein kann. Nächtelang wälzt er Statistiken, rechnet seine Überlebenschancen aus und beobachtet, welche seiner Online-Kontakte den Kampf gewonnen und welche ihn verloren haben. "Dieses Zimmer ist also so wie Afghanistan, und meine Leukämie sind die Taliban?" (Zitat, S. 59) "Ich bin nicht freiwillig in diesen Krieg gezogen. Die Leukämie, diese blöde Sau, hat mich zwangsrekrutiert." (Zitat, S. 62) Dann taucht Mia auf und macht lautstark auf sich aufmerksam. Zac bekommt den Streit mit ihrer Mutter mit, spürt ihre Verzweiflung und ihre Angst, will ihr helfen, ihr Mut machen... und dringt nur langsam zu ihr durch. Auf uns Leser mag Mia anfangs sehr kratzbürstig und nervig wirken, es fällt schwer, sie ins Herz zu schließen und sie zu verstehen. Doch die Autorin gibt uns 336 Seiten Zeit, um das eigensinnige Mädchen kennenzulernen und zu verstehen. Nachdem Zac aus dem Krankenhaus entlassen wird, folgen wir ihm auf die Farm seiner Eltern. Die Geschichte spielt in Australien und gerade das Setting weckte in mir das Gefühl von Freiheit, grenzenlose Weite und Hoffnung. Ich habe mich auf der Farm bei Zacs Familie sehr wohlgefühlt. Schließlich wechselt die Perspektive, wir verlassen Zac und schlüpfen in Mias Körper. Dieser neue Erzählstrang grenzt sich auch deutlich sprachlich von dem vorherigen ab. Mia denkt anders als Zac, die drückt sich anders aus, ist nach außen hin ruppiger, härter, es fallen Kraftausdrücke. Auf diesen 336 Seiten sehen wir nicht nur, wie Zac und Mia mit ihrer Krankheit umgehen, sondern auch, was die Diagnose Krebs für ihr persönliches Umfeld bedeutet. Wie verhalten sich die Mütter, wie reagieren die Freunde? Ist Mitleid angebracht oder sind aufmunternde Sprüche wie "Alles wird wieder gut, du schaffst das" eher kontraproduktiv? Kann man seine Krankheit vielleicht sogar verschweigen? Eine Geschichte, die mich berührt und in mir immer wieder die Wut schürt, mich die Frage stellen lässt, warum, in Gottes Namen, so junge, unschuldige Menschen (ja, Kinder!) an solch einer grausamen, todbringenden Krankheit erkranken müssen? "Gemessen an der Zerstörung, die er anrichtet, sollte er laut heulend und mit blinkenden Sirenen über einen Körper herfallen. Sich so einzuschleichen und sich im Gehirn eines Menschen festzusetzen, sich zwischen seinen Erinnerungen zu verstecken, das müsste verboten werden." (Zitat, S. 224) Bei dieser Art von Büchern habe ich immer Angst vor dem Ende. Ich weiß, von mindestens einem Protagonisten muss ich mich verabschieden. Wie A.J. Betts mir diese Angst genommen hat und welche Entscheidung sie am Ende getroffen hat - das müsst ihr selbst herausfinden. Wenn ihr euch für "Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe" entscheidet, erwartet euch eine berührende, intensive, fröhliche und gleichzeitig traurige, aufwühlende, schöne und sehr authentische Geschichte, die aber auch Mut und Hoffnung macht.