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Josie

Posted on 11.5.2020

Mit Wind im Haar und der See im Herzen lebt es sich leichter. Das ist zumindest das Gefühl, welches mir Windherz vermittelt hat. Eins der wenigen Gefühle, das mich beim Lesen erreichen konnte. Dabei ist diese Geschichte wirklich außergewöhnlich und tief im High Fantasy Bereich verwurzelt. Es ist allerdings ein Abenteuer mit dem ich nicht so richtig etwas anfangen konnte. Leider. Aira, erstgeborene Tochter des Königreichs Jandor, besitzt eine besondere Gabe, die sie gefährlich macht. Wie gefährlich, das durfte sie schon früh beweisen und wird sieben Jahre in die Obhut ihrer jüngeren Schwester gegeben, damit sie lernt sich zu zügeln und ihr Innerstes einzusperren. Dass das alles einem höheren Zweck dient, ahnt sie nicht. Genauso wenig wie Kayden Wolfshall, der schon in jungen Jahren das Leben in Ravan von der harten und unerbittlichen Seite kennenlernen muss. Von der Familie behandelt wie ein Aussätziger, die Welt bereist ohne viele Freunde und erst sehr viel später kann er sich mit seinem Auftreten einen Namen verschaffen. Die Geschichte ist in zwei Sichten aufgeteilt, die Kapitel wechseln sich zwischen Aira und Kayden ab. Es ist ein langsames Herantasten an die Leben der beiden, die in verschiedenen Königreichen, unter unterschiedlichen Bedingungen, aber mit einer Gemeinsamkeit heranwachsen: Ihre Umwelt lernt sie zu fürchten. Sei es für ihre Taten oder aufgrund von Gerüchten. Der Schreibstil des Autorenduos ist kaum zu unterscheiden. Und er passt wie die Faust aufs Auge in die Welt, in die uns die Autoren entführen. Eine altertümliche Welt, dominiert von Schifffahrt, Kriegen, Königreichen, opulenten Festen, dutzenden Göttern und einem unterwürfigen Frauenbild. Mag sein, dass mir einiges nicht zugesagt hat, doch die Atmosphäre, die „Windherz“ ausstrahlt, ist äußerst machtvoll und einverleibend. Mit Rittern, die durch Burgen streifen, Seeungeheuern, die ganze Schiffe verspeisen, Magie hinter jeder Ecke und einer uralten Legende, die im Begriff ist, sich zu wiederholen. Also eigentlich eine Menge Potenzial, ein sehr gelungener Aufbau und doch... entzog sich das Ganze meinem Wohlfühlbereich. Zum Einen wegen der fehlenden Ich Perspektive. Zu Beginn war ich echt fasziniert von Aira und Kayden, von ihren Wegen, die sie eingeschlagen haben - und gespannt darauf, was da noch kommen mag. Doch bereits nach kurzer Zeit machte sich Ernüchterung breit. Solche großen Welten sind, selbst mit Karte, mir einfach teilweise zu unübersichtlich und ich hatte das Gefühl, ein wenig hinterherzuhinken, irgendwie. Das, was normalerweise ein Pluspunkt wäre, nämlich, dass die Autoren eine authentische, überzeugende und neue Welt kreiert haben, in der man hinter jeder Ecke Geheimnisse findet und deren Sog einen nicht mehr loslässt... das ist einfach nicht mein Fall. Versteht mich nicht falsch, ich lese auch gern hin und wieder High Fantasy, doch was das angeht, bin ich speziell. Enyador, von der einen Hälfte des Duos, mochte ich zum Beispiel super gern. Eine großartige Welt, fantastische Ideen und eine Atmosphäre, die den Leser gefühlt in die Vergangenheit katapultiert - hört sich theoretisch ganz gut an, wenn man in die Zielgruppe passt. Die Protagonisten Aira und Kayden sind detailliert und greifbar dargestellt - aber ich konnte keine Verbindung zu ihnen aufbauen. Aira wirkte auf mich weiter weg als Kayden, so, als lebte sie in ihrer eigenen Basis, hinter Schutzmauern verborgen und da wo Liebe, Wut und Hass, der Wunsch nach Freiheit und allem anderen sein sollte, klaffte ein schwarzes Loch, das alles absorbierte. Bei Kayden erging es mir ähnlich, auch wenn ich mich mit ihm besser identifizieren konnte. Ein Soldat, ein Dieb, vom Leben gezeichnet, sein Aufwachsen und seine Begegnungen haben mich mehr begeistert als Airas Palastleben. Seine Reise durch Avantlan weckt die Abenteuerlust, sowohl zu Lande, als auch auf der klirrenden See, die seine zweite Heimat wird. Spannungsmäßig wird ebenfalls einiges geboten. Die oben erwähnten Kämpfe sind anschaulich dargestellt, Furcht und Angst dominieren durch die Ungewissheit in bestimmten Situationen und die Magie, die die Handlung durchzieht, ist ebenfalls von unberechenbarer Natur. Aber eben nicht meins. Bis zu einem gewissen Grad konnte mich die Geschichte begeistern, allerdings hätte ich sie aus der Ich-Perspektive vermutlich gefeiert. Fazit: „Windherz“ ist eine außergewöhnliche High Fantasy Story, die bestimmt sehr viele Leser erreichen wird. Ich hoffe es zumindest. Grundsätzlich ist die Idee, die der Handlung zugrunde liegt, nämlich grandios. Verwinkelt. Geheimnisvoll. Und mit einer Atmosphäre, die einen umhaut, sofern man in sie eintauchen kann. Die Charaktere sind authentisch, genauso wie die Welt, doch mein großer Knackpunkt ist, dass ich es nur gelesen und nicht erlebt habe. Ich konnte keine Verbindung herstellen. Und da bei mir vieles über die Emotionen gesteuert wird, ist das ein großes Minus, egal wie gut der Rest auch sein mag.

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