Profilbild von Gabriele

Gabriele

Posted on 11.5.2020

Habt Ihr Euch schon mal mit Schnecken beschäftigt? Nein, ich meine nicht, indem ihr sie mit Schneckenkorn vergiftet oder sie - etwas freundlicher – im Blumen- oder Gemüsebeet aufsammelt und irgendwo anders wieder frei lasst. Wer sich dieses wunderbare Büchlein zu Gemüte führt, wird wohl in Zukunft Schneckenkorn vermeiden. Denn wer diese Zeilen liest, erfährt so viel über das Leben der Mollusca, dass die Faszination nicht ausbleibt. So ging es auch der Journalistin Elisabeth Tova Bailey, die sich einen schrecklichen Virus eingefangen hatte, der sie Monate lang ans Bett fesselte. Eine Freundin brachte ihr zur Aufheiterung ein Veilchen im Blumentopf und darunter verbarg sich eine kleine Waldschnecke. Nachdem die Kranke zu nichts fähig war, konnte sie in aller Ruhe die Schnecke beobachten. Vor allem nachts genoss sie es, nicht ganz alleine zu sein. In sechs Teilen und 22 kurzen Kapiteln schildert sie das Leben ihrer Mitbewohnerin so lebendig, dass man das kleine Geschöpf einfach liebgewinnen muss. Sie beobachtet ihre Schnecke ein ganzes Jahr lang. Dabei erkundet sie, was das Tier gerne frisst, wie ihr Liebesleben aussieht und lernt sogar ihren unglaublich vielköpfigen Nachwuchs kennen. Da war ich schließlich froh, dass in der freien Natur doch ein paar Feinde auf den Genuss derselben warten. Doch zwischendurch hätte ich mir am liebsten auch so ein Kriechtier als Hausgenossen angeschafft. Vor diesem Büchlein, das weder Sachbuch noch Roman ist, hätte ich mir so was nie vorstellen können. Es zu lesen ist über viele Seiten ein wahrer Genuss. Mich hat es inspiriert, es in meiner literarischen Apotheke zu verstauen. Für Zeiten, in denen ich niedergeschmettert oder ausgepowert bin. Denn die achtungsvolle Langsamkeit hilft bestimmt, mich wieder zu erden.

zurück nach oben