literary_marie
Als ich mit Knock Out! begann, kannte ich die Geschichte von Emile Griffith nicht, was schade ist, da der Fall eigentlich von großer Bedeutung ist. Emile arbeitete in einer Hutfabrik und hatte großen Spaß daran, neue Kollektionen zu entwerfen, als ihn sein Chef – ein ehemaliger Amateur-Boxer – mit dem Ring bekannt macht. Er nahm Emile mit zum Training, ließ ihn ein paar Schläge üben und erkannte schnell, dass er sehr talentiert war. Emile war vom Boxen allerdings nicht so begeistert: Er wollte niemandem weh tun und verstand nicht, wie es Leuten Spaß machen konnte, sich gegenseitig zu verletzen. Doch seinem Chef zuliebe ließ er sich darauf ein und erkannte bald selbst, dass er außergewöhnlich gut war. Er nahm an vielen Wettkämpfen und Meisterschaften teil, die er so gut wie alle gewann. Seine Siege halfen ihm außerdem bei seinem Job in der Hutfabrik – immer mehr Menschen kauften seine Kollektionen. Doch dann begegnete er Benny Paret und alles wurde anders. Bei ihrem ersten Kampf musste sich Paret geschlagen geben. Zutiefst in seinem Ego verletzt begann er, Griffith mit homophoben Beleidigungen außer Gefecht zu setzen. Und sein Plan zeigte Wirkung: Den zweiten Kampf gewann Paret. Doch die Beschimpfungen hörten nicht auf. Immer wieder nutzte Paret die Gelegenheit, Emile emotional zu schwächen. Bei ihrem dritten Kampf eskalierte dann alles: Emile zwang Benny Paret in eine Ecke und schlug immer wieder auf ihn ein. Seine Verletzungen waren so stark, dass er ins Koma fiel und wenige Tage später starb und Griffiths Leben änderte sich schlagartig – der ehemals gut gelaunte, beliebte Hutdesigner und talentierte Boxer wird zum Mörder und nicht nur seine Karriere droht zu zerbrechen. Die Graphic Novel von Reinhard Kleist ist durchgehend in schwarz-weiß gehalten, was zum einen die Intensität der Geschichte unterstreicht, zum anderen aber auch zeigt, dass Emiles Leben genau das war: schwarz-weiß. Entweder Boxer in der Sportler- und Macho-Welt oder homosexueller Hutdesigner – vereinen konnte er seine beiden Leben nicht. In beeindruckenden Bildern zeigt Reinhard Kleist die Verwirrung und Unentschlossenheit Emiles, indem er sie teilweise vor dem Auge miteinander verschwimmen lässt. Die Pinselstriche sind in ernsten, energiegeladenen Situationen präzise und deutlich, in Momenten in denen Emile über sein Doppelleben und seine Handlungen nachdenkt sind sie ungenauer. Dies führt vor allem auch dazu, dass man als Leser eine viel engere Bindung zur Geschichte aufbauen kann und die Gefühle von Emile in sich aufsaugt. Das Vorsatz ist im Vergleich zum Rest der Graphic Novel farblich gestaltet: Zu Beginn in rot, man begleitet Emile in den Ring und bereitet sich auf den Kampf vor. Am Ende in blau, Emile sitzt verzweifelt auf einer Bank, geschockt, welche Konsequenzen der Sport und die Medien, die ihn umgeben, haben können. Rot und Blau – die Farbe der Wut, Gefahr und Dynamik vs. die Farbe der Ruhe, Kälte und Lüge. Ein Sport, zwei Emotionen. Ein Mann, zwei Leben.