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hundertmorgenwald

Posted on 8.5.2020

Wir befinden uns im Jahr 1856 im Wilden Westen. Tahnee lebt mit ihrem Vater in Sierra Nevada, einer einsamen Gebirgsregion. Eines Tages erfährt sie, dass ihr Vater von Kopfgeldjägern gesucht wird. Sie sind ihm dicht auf den Fersen. Das letzte, was ihr Vater ihr mit auf den Weg geben kann, ist die Botschaft, dass sie sich nach San Francisco durchschlagen soll, um dort eine bestimmte Person um Hilfe zu bitten. Die wohlbehütete Tara lebt in San Francisco und hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Nachdem sie gerade in den Genuss kam, dass ihr Großvater sie jeden Tag mit an den Strand nahm, durfte sie plötzlich das Haus nicht mehr verlassen. Irgendetwas stimmt nicht, aber niemand redet mit Tara, um es ihr zu erklären. Da schmiedet sie einen Plan. Reflexion Die Geschichte an sich ist sehr süß. Die Idee dahinter gefällt mir gut und auch die Botschaft des Buches, dass jede Geschichte zwei Seiten hat, ist sehr wertvoll. Tahnee und Tara sind starke Mädchenfiguren und die Geschichte hat viel Tempo. Die Erzählung wird abwechselnd aus der Sicht von Tara und Tahnee geschildert. Taras Geschichte erfahren wir überwiegend aus ihren Tagebucheinträgen. Und nun kommt leider mein großes ABER: Die Sprache hat mich nicht überzeugt. Im Gegenteil, manche Worte haben mich geärgert. Rassismus-Problematik: Der Autor wollte wohl die Rassismus-Problematik aufzeigen, doch die Art, wie er das gemacht hat, finde ich mehr als unglücklich. Tahnee begegnet einem Schwarzen, der von anderen als „Nigger“ bezeichnet wird. Der Schwarze selbst benutzt auch das N-Wort. Sicher, das war zu der Zeit auf jeden Fall so und ich fragte mich, ob ich es deswegen akzeptieren muss. Doch der Autor hält es nicht authentisch durch, in einer Sprache zu schreiben, die früher benutzt wurde. Dazu weiter unten mehr. Ich bin der Meinung, dass man die Rassismus-Problematik auch anders darlegen kann. Das N-Wort verschwindet erst aus den Köpfen, wenn es in keinem (Kinder)buch mehr vorkommt. Tahnee begegnet einem Jungen aus dem Stamm Maidu. Pokom spielt eine wichtige Rolle in dem Buch. Auch hier ist es so, dass Patrick Hertweck überwiegend den Begriff „Indianer“ verwendet. Das der Begriff von den indigenen Völkern abgelehnt wird, sollte doch inzwischen jedem bekannt sein. Zudem ist das Wort „Indianer“ ein europäisches Wort, was die Spanier mit der Kolonialisierung eingeführt haben, so dass es auch nicht authentisch wirkt, wenn Tahnee den Begriff benutzt. Hin und wieder nennt Tahnee ihn auch „den Maidu“. Warum kann man ihn nicht durchgehend so bezeichnen? Sprache: Tahnee erzählt von ihrer Geburt: „Aber mein Vater meinte immer zu mir, der unbändige Wille, ihr Kind nicht zu verlieren, hätte ihr die Kraft gegeben durchzuhalten.“ (S. 115 – da ich es als Ebook gelesen habe, könnte die Seitenzahl sich im Buch etwas verschieben). „Nun war ihnen trotz aller Katastrophen eine gesunde Tochter geschenkt worden.“ (S. 116) Kein Kind der Welt redet so. Auch nicht im 19. Jahrhundert. Zumal Tahnee sicher keine Schulausbildung hatte. Zu dem was ich oben schrieb, dass Hertweck nicht konsequent im Stil des 19. Jahrhunderts geblieben ist: so benutzt er zum Beispiel das Wort „Glimmstängel“ (S. 106). Ein anderes Beispiel ist, dass Tara eine Amme hat. Taras Großvater, der wortkarge Herr des Hauses, fragte die Amme zweimal, wie es ihr den gehe und was denn los sei. Er würde doch sehen, dass es ihr nicht gut geht. Kein Mann zu dieser Zeit, würde je seine Angestellte fragen, wie es ihr denn gehe. Und gleich zweimal hinter einander. Normalerweise würde ich das nicht ganz so eng sehen. Aber ich führe es aus dem Grund auf, da ich mir schon denken kann, dass manche mit dem Argument kommen, dass man früher halt Indianer und N* gesagt hat. Fazit: Eine schöne, wenn auch nicht immer authentische Geschichte, mit einer ausgezeichneten Botschaft. Das große Manko sind die rassistischen Worte. Auch wenn ich mir sicher bin, dass der Autor gerade auf den Rassismus hinweisen wollte. Aber das muss man meiner Ansicht nach gerade auch ohne diese Wörter schaffen. Nur so kann man sie aus dem kollektiven Gedächtnis tilgen.

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