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dasbuecherhaus

Posted on 6.5.2020

Max lebt und arbeitet in New York, der Fotograf führt ein ausschweifendes Leben, ein Leben das aus einem immer währenden Kreislauf aus Drogen, Partys und den unvermeidlichen Abstürzen besteht. Wirklich nüchtern oder clean scheint der erfolgreiche Fotograf nie zu sein. Bis er einen Anruf von seiner Schwester erhält, sein Zwillingsbruder Nikolas hat seine Tante und seinen Onkel ermordet. Max kehrt nach Hause zurück um zu erfahren was seinen autistischen Bruder dazu brachte einen Doppelmord zu begehen. Die Reise nach Hause wird für Max eine Reise in die Vergangenheit seiner Familie und in seine eigene Kindheit. Das klingt pathetisch, nicht wahr? Eine Reise in die Vergangenheit, man kann nicht in der Zeit zurückreisen, aber man kann versuchen sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, verschüttete Erinnerungen wieder aufleben zu lassen und Erlebnisse aufzuarbeiten, die man verdrängt hat. Landläufig spricht man von Vergessen, nur ist das menschliche Gehirn nicht darauf ausgerichtet irgendetwas zu vergessen, wir verdrängen Erinnerungen und traumatische Erlebnisse nur. Max Familie ist eine anständige Familie. Natürlich was auch sonst, Vater, Mutter 3 mehr oder weniger wohlgeratene Kinder, die Verwandtschaft lebt ebenfalls in der kleinen Stadt oder nicht allzu weit entfernt, man besucht sich regelmäßig und hilft einander. Max ist schon früh bewusst, dass mit seinem Bruder etwas nicht stimmt, nur helfen kann er ihm nicht, wie denn auch er ist selber noch ein Kind. Seine Mutter bringt das Kind das nicht spricht zu verschiedenen Therapeuten, sein Vater hält Nicolas einfach für gestört, ein Kind das nicht spricht und auf manche Situationen mit Schreianfällen reagiert, überfordert alle. Die Diagnose Autismus scheint eine gute Ausrede zu geben sich nicht mehr weiter mit den Problemen des Kindes beschäftigen zu müssen und ein guter Grund ihn in eine psychiatrische Klinik geben zu können. Nach und nach findet Max heraus was in seiner Kindheit geschah, er findet heraus das Nicolas von seiner Tante und seinem Onkel sexuell missbraucht wurde und das dieser Missbrauch noch viel weitere Kreise zieht. Denn auch Max wurde von seiner Tante missbraucht, anders als sein Bruder reagiert er mit Verdrängung und betäubt seinen Schmerz mit Alkohol und Drogen und Distanz zu seiner Familie in der sowieso niemand spricht. Max und Nicolas Schicksal steht stellvertretend, für das Schicksal all der Kinder, denen tagtäglich das Gleiche widerfährt, an Orten an denen sie sich sicher und geborgen fühlen sollten, durch Menschen, die sie schützen und behüten sollten. Etwa ein Viertel aller missbrauchten Kinder werden im familiären Umfeld zum Opfer. Wie kann Kindesmissbrauch verborgen bleiben? Diese Frage stellt sich jedes Mal, wenn wieder ein Fall durch die Medien geht. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Der Gedanke daran das jemand Spaß daran haben kann, Kindern etwas derartiges anzutun, ist allein schon Übelkeit erregend. Michael Reh hat ein aufwühlendes, erschütterndes Buch geschrieben, das ich kaum aus der Hand legen konnte. Ein Buch, das zumindest kurzzeitig den Blick schärft für das, was in unserem Umfeld geschieht. Katharsis bekommt von mir eine absolute Leseempfehlung.

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