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Chief Propaganda Officer

Posted on 5.5.2020

In einem arabischen, totalitären Staat brauchen die Menschen für alles, was sie sind und tun wollen, eine Erlaubnis. Diese bekommen sie vom Tor beziehungsweise dem, was sich vielleicht oder auch nicht dahinter befindet. Alle Gesetzte, alle Ge- und Verbote werden dort erlassen. Also stellen sich die Menschen dort an, Tag für Tag und Nacht für Nacht, um darauf zu warten, dass sich dieses Tor öffnet. Doch es passiert einfach nichts und für viele dort in der Warteschlange läuft nicht nur bildlich gesehen die Zeit langsam ab ... Was hätte man aus diesem Buch machen können. Ja, vielleicht hätte eine wuchtige, bildgewaltige Erzählweise nicht zu der Resignation, der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit der Leute gepasst, auch nicht zu den teils absurden Befehlen und Gesetzen, die vom Tor erlassen wurden. Wir befinden uns in völliger Depression, denn niemals erhalten die Menschen das, was sie wirklich brauchen. Aber wäre Aziz eine Meisterin leiser Töne, so hätte sie ihre Leser trotzdem mit voller Breitseite erwischt, verwundet wie ihren Protagonisten Yahya und möglicherweise umgehauen. Stattdessen schreibt sie in einer distanzierten, nahezu gelangweilten Weise, die das Lesen anstrengend macht und keine Nähe zu ihren Protagonisten zulässt. Es gibt durch die beinahe durchweg indirekte Rede keine Dynamik, keine eigene Stimme für all ihre Geschöpfe, sie wechselt innerhalb der Szenen einfach mal die Perspektive und zeichnet sich meiner Meinung nach nicht durch solides Handwerk aus. Schon allein durch das Thema hätte dieses Buch ein großer Wurf werden können, ja müssen, doch alles, was man nach dem Beenden des Buches in den Händen zu halten glaubt, ist höchstens ein Entwurf, ein erstes Manuskript, kein ausgearbeitetes Werk. So viel Potenzial verschenkt. Schade.

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