Profilbild von mrstrikehardt

mrstrikehardt

Posted on 4.5.2020

Victor Klemperers „Notizbuch eines Philologen“ (so der Untertitel) las ich kurz nach dem Abitur zum ersten Mal und war beeindruckt von der scharfsinnigen Analyse der »LTI« - Lingua Tertii Imperii. Plastisch führt Klemperer anhand ausgewählter Beispiele vor Augen, wie der Nationalsozialismus den Wortschatz der deutschen Sprache verrohte und für seine Zwecke vereinnahmte. Nun griff ich wieder zum Buch und angesichts des rechten Populismus hierzulande und anderswo mahnt es erneut, genau und wachsam zu sein. Darüber wie gesprochen, wie mit und durch die Sprache gedacht und somit der Kopf gelenkt wird (Klemperer greift hier einen Schiller-Vers auf von der "gebildeten Sprache, die für dich dichtet und denkt"). Er zeigt, wie das Gift der Sprachverhunzung wirkte und wie ich zu meinem Schrecken feststellen musste, auch heute noch in der Alltagssprache wirkt. Es geht bspw. um einzelne (mechanische) Begrifflichkeiten wie "organisieren", "einstellen" oder "aufziehen", die der Nationalsozialismus gebrauchte, um das Denken zu erkalten, zu sterilisieren. Gleichzeitig wurde das Gefühl, die mystische Schau über das Denken gestellt, um auch hier kritisches Hinterfragen zu vermeiden und Gefolgschaft zu erzwingen. Das Nationalsozialismus, insbesondere Hitler, Goebbels und Rosenberg, bedienten sich allen sprachlichen Mitteln (exzessiver Gebrauch von Superlativen, traditionellen/ altertümlichen Worten, vereinzelt von Fremdwörtern, Euphemismen, Abkürzungen, etc.), einzig und allein um Macht auszuüben und zu erhalten. Der verbindende Feind, auf den die Sprache ausgerichtet wurde (ich möchte nicht abzielen schreiben), waren die Juden bzw. einfach nur der Jude. Wer denkt, ist geschützt? Ein Stück weit vielleicht, aber niemand ist gänzlich gefeit. Denn unbewusst wirkt die Sprache auf jede(n) von uns ein. Oder mit Klemperers Worten: "die als Prahlen und Lüge erkannte Propaganda wirkt dennoch, wenn man nur die Stirn hat, sie unbeirrt fortzusetzen; der Fluch des Superlativs ist doch nicht immer Selbstzerstörung, sondern oft genug Zerstörung des ihm entgegenstehenden Intellekts ... und die wirkungslose Dummheit war weder ganz so dumm noch ganz wirkungslos." Umso wichtiger ist Klemperers Bücher und sind heutzutage solche Publikationen wie https://mojoreads.com/book/Was-heisst-hier-wir-Heinrich-Detering/19874640 Ich verfüge über eine ältere Ausgabe, in dem das Nachwort von Elke Fröhlich nicht enthalten ist, weshalb ich hierzu nichts schreiben kann.

zurück nach oben