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Matzbach

Posted on 4.5.2020

Potential zum Standardwerk Geschafft! Nahezu vier Monate (natürlich mit Unterbrechungen) habe ich für dieses im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Buch (mein Weihnachtsgeschenk) gebraucht. Auf 1504 Seiten, davon gut 150 Seiten Anhang, stellt der Göttinger Historiker Manfred Hildermeier die russische Geschichte vom Mittelalter bis zum Rücktritt des Zaren dar. In insgesamt sechs Großkapitel unterteilt, diese jeweils intern geordnet nach den Schwerpunkten Ereignis-, Wirtschafts-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte, verschafft die Darstellung dem Leser einen hervorragenden Einblick in die russische Geschichte, die sich in einem Wechselspiel von Übernahme westlicher Anstöße, Rückständigkeit und geradezu Abgrenzung gegen den Westen abgespielt hat. Immer wieder auch beschreibt Hildermeier die Auseinandersetzungen verschiedenener Schulen der Historiographie, die sich diesem Thema gewidmet haben, wobei deren Verhaftung in ideologische Denkmuster klar erkennbar ist. An manchen Stellen wird dem Leser, auch ohne dass Hildermeier es explizit verdeutlicht, klar, wie sehr das heutige Erscheinungsbild Russlands durch die Geschichte geprägt ist, sei es die Ukraine-Krise, sei es die starke Stellung des Staatsoberhauptes, um nur zwei herausragende Beispiel zu nennen. Insofern trägt diese Geschichtsschreibung tatsächlich auch zum Verständnis der Gegenwart bei. Einziger Wermutstropfen ist das nicht ganz eingehaltenen Versprechen "Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution". Hildermeier endet mit dem Sturz des Zaren im Februar/März 1917. Die folgende Phase der Doppelherrschaft bis zur Oktoberrevolution blendet er leider aus, obwohl dies meiner Ansicht nach eine höchst spannende Phase ist, die erst das eigentliche Ende des "alten" Russlands besiegelt. Aber zu seiner Entschuldigung: Dieses Thema hat er bereits in seiner Schrift "Die russische Revolution" bearbeitet, aber es hätte eben als Abschluss gut in dieses Mammutwerk gepasst.

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