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Matzbach

Posted on 4.5.2020

Da Lessings "Nathan der Weise" im übernächsten Abiturdurchgang Thema sein könnte, habe ich das Werk in Vorbereitung auf einen Grundkurs erneut gelesen. Gewiss, die Sprache mag für heutige Jugendliche etwas sperrig erscheinen, doch das sollte kein Grund sein, dieses Werk vom Lehrplan zu verdammen, denn die Thamatik ist nach über 240 Jahren nach wie vor höchst aktuell. Da ist zum einen der Handlungsort Jerusalem, auch heute noch ein politischer Brennpunkt der Welt, viel wichtiger aber der in dem Drama propagierte Toleranzgedanke. Frei nach Grönemeier "Wann ist der Mensch ein Mensch?" Was macht seinen "Wert" aus? Die Zugehörigkeit zu einer Religion, einem Volk oder einer Ideologie? Oder nicht doch eher seine Taten? Kleingeistige Borniertheit, im Stück unter anderem am Beispiel der Figur des Patriarchen beschrieben, gibt es leider immer noch zuhauf. Sollte sich diese erneut in Deutschland durchsetzen, darf dann dieses Stück, das ja bereits wegen seines jüdischen Protagonisten und dessen positiver Darstellung verboten war, noch gespielt werden? Oder wird es wieder Denkverbote geben? Jedenfalls ist mir persönlich Weltoffenheit und Toleranz tausendmal lieber als Vorurteile und die Einordnung von Menschen nach Kriterien wie Religionszugehörigkeit und/oder Hautfarbe. In diesem Sinne: lieber ein aufgeklärter Moslem als ein bornierter Höcke. Ein kalter Schauder überkam mich im Übrigen, als ich folgenden Satz des Patriarchen las: "Denn ist nicht alles, was man Kinden tut, Gewalt?/Zu sagen: -ausgenommen, was die Kirch'/an Kindern tut: (V.2540ff). Irgendwie erinnert das an die heutigen hillflosen Versuche der Amtskirche, die zahlreichen Missbrauchsskandale innerhalb ihrer Reihen zu relativieren.

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