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Posted on 2.5.2020

Master of the Universe könnte man Barry Cohen, den armseligen Helden aus Lake Success nennen. Hedgefondsmanager der Milliarden verwaltet, mit der Finanzaufsicht im Genick und auf der Flucht vor dem Diagnoseergebnis seines dreijährigen Sohnes. Es waren noch andere Unanehmlichkeiten und Gedankenspielereien, die ihn dazu trieben den Greyhound nach Westen zu besteigen und seine gewohnte Einflußsphäre zu verlassen. Weshalb er sich auf diese Reise queer durch die USA unter völlig ungewohnten Bedingungen begibt entblättert Gary Shteyngart mit Überschneidungen, Zeitrückblenden in einem packenden, furiosen Erzählstil. Sympathisch, dass der Unsympath Cohen von seiner menschlichen Seite gezeigt wird, in all seiner unreflektierten Verwirrt- und Zerrissenheit, die er trotz seines Alters, gepaart mit einer immensen Naivität an den Tag legt. Er ist auf dem Weg zu seiner Jugendliebe Layla, dem Bild in seiner Vorstellung, das ihn lockt, verspricht es doch Seelenfrieden und ist so viel leichter, als mit den Verletzungen und Enttäuschungen fertigzuwerden, die ihn heutzutage heimsuchen. Shteyngart nimmt seine Leser*innen vom ersten Satz an mit in die Zeit kurz vor dem Amtsantritt des US-Präsidenten, dessen Name niemals mehr genannt werden sollte (wird er), aber er ist präsent im Amerika vor der Wahl. Mit Verve, Witz und quasi im Vorbeifahren erfährt man lichtblitzartige, kleine aber feine Details aus der Stimmungslage der amerikanischen Bevölkerung von den Ärmsten bis hin zu den monströs, obszön Reichen. Mittendrin Barry Cohen, seine junge Frau Seema, die auf ihre eigene Art versucht, ihre lauernden, gedanklich verzweifelten Dämonen in den Griff zu kriegen, etliche Uhren und seltsam, skurrile Erscheinungen und die wunderbare schön bis schäbige Kulisse der Vereinigten Staaten. Willkommen in Lake Success hat Sog, es ist reines Vergnügen, diesen Roman zu lesen, obwohl der Autor nicht zimperlich mit seinem Personal umgeht und die Seelentiefe der Protagonisten detailliert und ohne Beschönigung auslotet. Es sind auch nur Menschen wie wir alle. Auf der Suche nach Glück, Liebende, Verzweifelte, verirrte Suchende. Shteyngart schafft es in einem Moment den Leserzynismus auf 100 % zu pushen, um ihm dann vor Augen zu führen, dass es schlicht menschliches Verhalten ist, erklärbar, wenn auch nicht immer nachvollziehbar. Wenn Barry im Greyhound seine Zugehörigkeit zum Judentum negiert und sich auf eine Stufe mit dem rechtslastigen selbstgerechten Prediger stellt, indem er klagt, ebenfalls seinen Sohn nicht mehr sehen zu dürfen, weil seine Frau ihn nicht mehr liebt, dann ist das trotz völliger Verdrehung der Tatsachen in diesem Moment tatsächlich seine ganz eigene „Wahrheit“. Shteyngart wendet diesen Kunstkniff immer wieder an und so erhalten die Leser*innen einen differenzierten Blick, sowohl auf auf die potentiellen Trumpwähler wie auch in die Gefühls- und Denkwelten der Protagonisten. Das liest sich locker und lässig und nie seicht auch wenn die Hirneinhalte der Skizzierten durchaus flach daherkommen. In ihrer Weltsicht sind sie es nicht, da gibt es nur diese selbstgewählte Alternativlosigkeit, die ihnen unumstösstlich erscheint. Diesen Erzählerblick und Stil, so amüsant und furios und voller Liebe zu diesem Land und seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen, beglückt mit Wellnesslesen auf hohem Niveau.

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