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buchgespenst

Posted on 2.5.2020

Nils Holgersson ist ein bösartiger, fauler Junge, der seinen Eltern, Mitmenschen und den Tieren das Leben schwer macht, doch eines Tages legt er sich mit dem falschen an. Das Wichtelmännchen, dem er einen Zauber abpressen will, verwandelt den Jungen kurzerhand in einen Däumling und damit ist er ein Ausgestoßener unter den Menschen. Er versteht allerdings die Sprache der Tiere und als die weiße Hausgans Martin dem Lockruf der Wildgänse nicht widerstehen kann, wird Nils bei dem Versuch ihn aufzuhalten mit in die Höhe gerissen. Unfreiwillig und nicht sehr willkommen müssen sich die beiden in der Schar von Akka von Kebnekajse beweisen. Dabei lernt Nils viel über die Tiere, die Geschichte und Geographie Schwedens und ist dabei, wenn Sagen lebendig werden. Ich liebe dieses Buch! Die Geschichte von Nils Holgersson hat mich schon immer fasziniert. Märchenhaft, gruselig, informativ und in jeder Hinsicht traumhaft! Die Ausgabe der „Anderen Bibliothek“ wird dem Klassiker mehr als gerecht. Der erste Punkt ist die einzigartige Übersetzung. Thomas Steinfeld hat sich eng an dem schwedischen Original orientiert und sich nicht nur zum Ziel gesetzt, eine vollständige Übersetzung vorzulegen, sondern auch eine, die die sprachlichen Besonderheiten des Originals bewahrt. Herausgekommen ist ein Text, der einen auch sprachlich in die Welt Nils Holgerssons entführt ohne dabei anstrengend zu werden. Steinfeld bewahrte auch die Eigenheit, dass hier nicht die Abenteuer mit Tieren, Protagonisten und Antagonisten aufeinander treffen; Smirre der Fuchs ist ursprünglich nur ein Element von vielen gewesen und nicht das personifizierte Böse. Das Buch war als Schulbuch konzipiert, für Geographie und Geschichte. Genau das wird hier genial umgesetzt. Damit wirkt das ganze manchmal etwas episodenhaft, aber niemals langweilig. Zeitweise tritt Nils in Hintergrund und andere Charaktere dominieren, mit einer Sage, einem Märchen, einem historischen Ereignis, an dem Nils passiv teilnimmt und durch seine Anwesenheit auch dem Leser vermittelt. Ein geschickt gewobenes Netz aus Fakten und Unterhaltung, von Steinfeld großartig in Szene gesetzt. Er legte hiermit übrigens die erste vollständige Übersetzung des Buches in deutscher Sprache vor. Die relativ kleinteilige Kapitelstruktur macht die Geschichte trotz ihres Umfangs zu einem tollen Vorlesebuch! Der zweite Punkt ist die Ausstattung. Das schlichte, uninteressante Cover, das mich zuerst abgeschreckt hat, täuscht. Die Innenausstattung ist phantastisch! Reich illustriert von Bertil Lybeck wird die Reise von Nils auch im Bild zum Leben. Der Stil erinnert an alte Märchenbücher und gibt der ganzen Geschichte das richtige Flair. Von kleinen Tieren, die über dem Kapitelnamen stehen, bis hin zu ganzseitigen Szenen ist das Buch ein bibliophiler Traum! Selbstverständlich fehlt auch die gezeichnete Karte am Beginn und Ende der Ausgabe nicht, damit der Leser dem Zug der Wildgänse auch geographisch folgen kann. Als besonderer Bonus sind Text und Zeichnungen nicht im Standardschwarz gedruckt, sondern einem dunklen Blau, das sehr angenehm zu lesen ist und ein großartiges Gimmick, das diese Ausgabe zu etwas ganz besonderem macht. Der dritte Punkt ist das umfassende Nachwort Thomas Steinfelds zur Text- und Übersetzungsgeschichte. Hier erfährt der interessierte Leser alles zur bewegten Geschichte des Buches. Entstehung, Vorbilder, Überlieferung und wieso es eine so bewegte Übersetzungsvergangenheit hat. In der Ausgabe der „Anderen Bibliothek“ wird Nils Holgersson auf vielen Ebenen lebendig. Für das Leserherz ein einzigartiges Erlebnis. Wer Nils Holgersson noch nicht kennt oder ihn in seiner originalen Form genießen möchte, sollte zu diesem bibliophilen Schmuckstück greifen!

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