Neko Zion
Beginnen wir doch mit der Geschichte an sich. Man kann grob sagen, dass das Buch aus zwei Erzählsträngen besteht, die am Ende zusammenlaufen. Man hat das „Davor“, die Geschichte von Ellis leiden, das als Kind beginnt. Sie versteckt sich in ihrer Fantasie, Freunde scheint sie keine zu haben. Als Erwachsene scheint sie zunächst mehr Glück zu haben, sie hat eine Tanzakademie, einen Freund... Aber auch das stellt sich als bloße Träumerei heraus. Wir begleiten Ellis also durch so ziemlich ihre gesamte psychische Leidensphase, die durch die Behandlung ihrer Mutter ihr gegenüber nur schlimmer wird. Dann haben wir die „Danach“ Kapitel. In diesem Erzählstrang baut eine „Sie“ diverse Puppenhomes, die allesamt Tode von Kindern darstellen. Diese baut sie in alphabetischer Reihenfolge. Dass es sich dabei ebenfalls um Ellis handelt, lässt sich ziemlich schnell erahnen. Aber zu welchem Plan sie die Homes baut, wird erst ganz zum Schluss wirklich klar, in dem Teil, in dem beide Erzählstränge endgültig zusammenlaufen. Aber was es damit letztendlich auf sich hat, verrate ich nun nicht. Ich war fasziniert von den Charakteren. Sie alle haben sich in die Geschichte eingefügt, waren es auch noch so kleine Nebenrollen. Ellis Charakter hat mich besonders betroffen. Ihr ist so viel leid zugefügt worden, während sie doch nur geliebt und anerkannt werden wollte. Als Kind hat sie das mit ihren Fantasiefreunden und -reisen verarbeitet. Als Erwachsene hat sie sich sogar ein gesamtes Leben zusammen geträumt. Auch wenn es extrem dargestellt wird, Fälle wie Ellis gibt es in Wirklichkeit ebenfalls und ich fand es wirklich interessant, in die Psyche dieser jungen Frau zu sehen. Ein weiterer bedeutender Charakter ist natürlich ihre Mutter. Sie übernimmt die Rolle des „Bösen“ in diesem Buch. Und an vielen Stellen wirkt sie auch einfach nur abgrundtief böse. Es wirkt, als würde sie sich nicht mal ansatzweise für ihre Tochter interessieren. Aber das glaube ich nicht. Es gibt kleine Momente, an denen sie durchscheinen lässt, dass ihr eigentlich zumindest ein wenig an ihrer Tochter liegt. Ich glaube eher, dass die Mutter selber ebenfalls Probleme hat, sie hat selbst wohl nie gelernt, wie man vernünftig Liebe erhält und zeigt und ist deswegen zu dem Menschen geworden, den wir hier in der Geschichte wiederfinden. Die anderen Charaktere haben ihr übriges dazu getan (oder auch nicht), denn Teresa zum Beispiel oder Hugo (beides Hausangestellte der Eltern von Ellis als sie Kind war) hätten so vieles tun können. Stattdessen haben sie nur an sich selbst gedacht und die tickenden Zeitbomben Ellis und ihre Mutter sich gegenseitig überlassen. Kommen wir vom Inhaltlichen und den Charakteren mal auf die Äußerlichkeiten zu sprechen. Der Schreibstil war super. Für mich war es das erste Buch von der Autorin und man konnte es wirklich gut lesen. Die Kapitel hatten eine angenehme Länge, der Wechsel zwischen „Davor“ und „Danach“ Kapiteln hat einen immer zum Weiterlesen bewegt, weil man wissen wollte, was im jeweils anderen Zeitstrang als nächstes passiert. Die „Danach“ Kapitel, die Kapitel, in denen Ellis noch ein Kind ist und der dritte Teil, der quasi der Schluss ist, sind aus der Perspektive einer dritten Person geschrieben. Der Hauptteil der „Davor“ Kapitel aber ist aus Ellis Sicht geschrieben, was einen noch tieferen Einblick in ihre Psyche gibt, was das Hauptaugenmerk noch auf diese verstärkt. Eine Frage blieb mir aber am Ende offen. Ich suche immer in den Büchern Hinweise zu den Titeln. Heißt das Buch jetzt Porzellankind, weil Ellis Psyche wie eine Porzellanpuppe ist? Fragil, gebrochen und schon viel zu oft versucht, sie zu kleben? Oder spielt es vielleicht sogar auf die Mutter oder den toten Bruder an? Das ist mir nicht so ganz klar geworden. Zuletzt möchte ich dann das Cover noch loben. Das Düstere mit dem einen Puppenhaus, das einen großen Schatten wirft, ist für einen Thriller so schon ein hervorragendes Cover. Und schon früh in der Handlung merkt man, dass Puppenhäuser wohl irgendwie eine Rolle spielen. Solche kleinen Details liebe ich. Es ist definitiv ein Buch, das ich des Covers wegen in die Hand nehmen würde in der Buchhandlung. Fazit: „Porzellankind“ von Myriane Angelowski ist ein wunderbarer Psychothriller, bei dem man in die tiefen Abgründe der Seele einer jungen Frau eintaucht, die jahrelang hintergangen wurde und sich nur nach Liebe und Anerkennung sehnte, die sie aber kaum jemals bekam. Nur wenige Kleinigkeiten sind mir aufgefallen, die nicht ganz perfekt waren. Aber insgesamt empfehle ich dieses Buch sehr. 4,5/5 Sterne