mabuerele
„...Wer in einem Uhrmacher – Haus aufwuchs, entwickelte schon früh ein Gespür für die veränderliche Qualität der Zeit...“ Wir schreiben das Jahr 1766. Gesche ist die Enkeltochter des Bremer Uhrmachers Nicolaus Altendieck. Die Standuhr, die ihr Großvater entwickelt und gebaut hat, nennt sie Hora. Sie wird sie ihr Leben lang begleiten. Gesche interessiert sich für das Uhrmacherhandwerk. In ihrem Großvater hat sie einen geduldigen Lehrmeister. Doch was nutzt ihr das? Als Frau darf sie keine Werkstatt führen. Für solche Gedanken aber ist noch Zeit. Erst einmal empfängt ihr Vater hohen Besuch. Der Ratsdiener informiert ihn, dass die Stadt Bremen für das Rathaus eine neue Uhr braucht. Daran ist der Posten des Ratsuhrmachers gebunden. Johann will ablehnen. Nicht nur Friedrich, sein Sohn, ist aber dafür, sich für den Auftrag zu bewerben. Der Autor hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Ich darf mehrere Generationen der Familie Altendieck auf ihren Weg durch die Geschichte begleiten. Der Autor greift vier Episoden heraus, zwischen denen jeweils eine längere Pause liegt. Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Besonders aufgefallen ist mir, dass die Begriffe, die man von den Uhren kennt, auch in andere Beschreibungen einfließen und so das Thema allgegenwärtig sein lassen. Ein Beispiel ist die Charakterisierung von Friedrich durch seinen Vater: „...Johann erkannte sich in ihm wieder, eine breitschultrige Version seiner selbst – wenn da nicht diese Spannung in Friedrichs Körper wäre, wie eine aufgezogene Spiralfeder, die darauf wartete, ihre Kraft freizusetzen...“ Als Johann den Auftrag bekommt, hat er sich einen mächtigen Feind gemacht. Albert Greven, einer der erfolgreichsten Uhrmacher der Stadt, hatte auf den gut dotierten Posten gehofft. Sehr detailliert wird beschrieben, wie die neue Uhr entsteht und funktioniert. Der erwartete Triumph aber bleibt aus. Eine geschickt eingefädelte Intrige bringt die Werkstatt an den Rand des Ruins. Als die Familie sich durch eine wohlüberlegte Entscheidung von Gesche wieder einen festen Stand in der Stadt erarbeitet hat, sorgt die hohe Politik dafür, dass neues Ungemach droht. Die freie Stadt Bremen kommt unter die Hand Napoleons. Es werden Soldaten gebraucht für dessen Feldzug nach Russland. Wird es auch Gesches Söhne treffen? Eingebunden in das Geschehen wird der Widerstandskampf gegen Napoleon und die Kämpfe in der Umgebung von Bremen. Über das Vor und Wider der Neuerungen gibt es selbst in der Familie unterschiedliche Meinungen. Mette, Gesches Tochter, bringt es auf den Punkt: „...Jedenfalls ist die Besetzung durch Soldaten eine merkwürdige Art, jemanden die Freiheit zu bringen...“ Inhaltsreiche Diskussionen sind insgesamt eine Bereicherung für die Geschichte. Sie ermöglichen, die gegenseitigen Meinungen kennenzulernen und damit einen zusätzliche Einblick in das Zeit Geschehen zu erhalten. So fand ich die folgende Aussage von Johann gegenüber Agathe, der Frau eines Ratsherrn, sehr treffend. „...“Ich finde es eher tröstlich, ein Rad in einem großen Getriebe zu sein“, erwiderte Johann. „Denn das Ganze funktioniert nur durch das harmonische Zusammenspiel seiner Teile. Wer Uhren baut, lernt Respekt vor kleinen Rädchen“...“ Gesche darf noch erleben, wie ihr Enkel Ernst neue Wege in der Werkstatt beschreitet. Und sie lernt eine junge Frau kennen, die weiß, was sie will und die die Zeichen der Zeit erkannt hat. Das Jahr 1848 naht sich mit schnellen Schritten. Auch im hohen Alter hat Gesche nichts von ihrer Neugier verloren, wie das folgende Zitat beweist: „...Der Mechanismus des Kosmos besaß noch immer zahllose Rädchen, deren Funktion nicht annähernd erforscht war. Und immer, wenn man einen Blick hinter die Abdeckung warf, um die wahren Zusammenhänge zu erkunden, erblickte man dahinter nur noch feinere Konstruktionen...“ Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Eine spannende Handlung, ein detaillierter Blick in die Lebensverhältnisse der Zeit und gut charakterisierte Protagonisten mit Ecken und Kanten machten das Lesen zum Vergnügen. Zwei Dinge durchziehen insbesondere die Geschichte. Im Auf und Ab des Lebens konnte sich die Familie auf jeden Einzelnen verlassen. Sie standen zusammen. Und bei harten Entscheidungen kam erst die Familie, dann die persönlichen Interessen.