seehase1977
Wenn der Glaube zu mächtig wird - Eine bewegende Familiengeschichte Die Eheleute Lyle und Peg Hovde führen ein beschauliches Leben im ländlichen Wisconsin. Einst verloren sie ihren einjährigen Sohn und mit ihm verschwand auch Lyles Glaube an Gott. Mit der Adoption ihrer Tochter Shiloh kehrt das Glück zurück und als diese irgendwann mit ihrem fünfjährigen Sohn Isaac zurück ins elterliche Haus zieht, genießen Lyle und Peg das Zusammensein mit Tochter und Enkel. Doch Shiloh hat sich einer radikalen Glaubensgemeinschaft angeschlossen, verliebt sich in den Pastor und entfremdet sich Stück für Stück von ihren Eltern. Besonders die Beziehung zu Lyle, der Entwicklung mit Sorge sieht, wird immer schwieriger. Doch als das Glaubensdogma der Sekte Isaacs Sicherheit bedroht, muss Lyle eine folgenschwere Entscheidung treffen… Meine Meinung: Nickolas Butler hat mich seinerzeit mit seinem Roman „Die Herzen der Männer“ durch seine wunderbare Erzählweise beeindruckt, auch wenn mich die Story damals nicht absolut überzeugen konnte. In seinem neuen Roman „Ein wenig Glaube“ widmet er sich mit feiner Sprache und großem Einfühlungsvermögen einem sensiblen Thema. Wie weit darf Glaube gehen, wie viel Macht gewährt man seiner Religion und wann muss man Menschen vor ihrem Glauben beschützen? Butler erzählt eine bewegende und eindringliche Familiengeschichte, die zum Teil auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 2008 beruht. Langsam und behutsam beginnt Nickolas Butler seine Geschichte, erzählt vom Leben im beschaulichen Wisconsin, von dem Ehepaar Lyle und Peg, die mit ihrem bescheidenen Dasein zufrieden und glücklich sind und sich an ihrem Enkel Isaac erfreuen. Besonders Lyle genießt das Zusammensein mit dem fünfjährigen Jungen, die beiden sind ein eingeschworenes Team und oft zusammen unterwegs. Düstere Wolken ziehen auf, als Shiloh, die Adoptivtochter von Lyle und Peg sich immer mehr in ihrer Glaubensgemeinschaft verliert, sich von ihren Eltern, besonders von ihrem Vater, entfremdet und Issac für die Zwecke der Gemeinde instrumentalisiert wird. Der Autor hat eine unvergleichliche, ruhige aber wunderschöne Erzählweise. Seine Worte sind ausdrucksstark und sensibel gewählt und führen doch vor Augen, was sich in der Familie Hovde für ein Drama abspielt. Man kann die Verzweiflung zwischen den Zeilen spüren, aber auch die Liebe, die allgegenwärtig ist, auch wenn es schwierig ist, sie zu zeigen. Eingerahmt wird die Story von idyllischen und atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen, die so authentisch sind, dass man meint vor Ort zu sein. Doch hin und wieder verliert er sich in seinen detailreichen Beschreibungen, so dass es durchaus auch langatmige, etwas ermüdende Passagen gibt. Hervorragend gelungen sind meiner Meinung nach die Zeichnungen und die Intensität der Figuren. Ihre Gefühle, ihr Handeln, ihre Persönlichkeit, alles wirkt authentisch, lebensnah und charismatisch. Nicht immer sind die Handlungen und Entscheidungen nachvollziehbar, vor allem bei Shiloh ist es mir extrem schwergefallen, mich auf den Charakter der Figur einzulassen. Am liebsten würde man sie schütteln und sie dem Sog, den die Glaubensgemeinschaft auf sie ausübt, entziehen. Mein Fazit: Ein sehr schön erzählter, eindringlicher und bewegender Roman über Familie, Liebe und darüber was passiert, wenn der Glaube das Leben mit all seinen Facetten und Entscheidungen auf gefährliche Weise übernimmt und man sich darin verliert. Ein lesenswertes Buch, das nachdenklich stimmt.