Profilbild von stricki

stricki

Posted on 25.4.2020

Impulsmord Eine Frau verliebt sich in einen Mann. Einen verheirateten Mann, Vater von 2 Töchtern. Sie wird seine Klavierlehrerin, mehr passiert nicht. Erst nachdem seine Frau die jüngste Tochter tötet, kommen die beiden zusammen. Was für eine ungewöhnliche Idee für ein Buch! Wie kann man sich in jemand verlieben, der eine solche Tat mit erleben muss, vor allem wenn niemand weiß, was wirklich geschehen ist. Ein Kind ist tot, eins spurlos verschwunden, die Mutter geht ins Gefängnis. Der Begehrte, Wade, ein Mann mit beginnender Demenz. Erblich bedingt, er weiß was ihn erwartet. Deshalb auch die Klavierstunden, als Gedächtnistraining. Ann, die Lehrerin, ist eher Typ "alte Jungfer". Sie lässt sich bedingungslos auf Wade ein, auch seine demenzbedingten Ausbrüche, die durchaus etwas Gewalttätiges haben, schrecken sie nicht ab. Sie liebt Wade, sie zieht zu ihm, sie will wissen, was da passiert ist. Von ihm erfährt sie wenig, und täglich werden seine Erinnerung weniger. Das Buch arbeitet mit Zeitsprüngen, die Geschichte wird aus der Perspektive der verschiedenen Personen beschrieben. Auch die inhaftierte Mutter Jenny und deren Zelleninsassinnen kommen zu Wort. Nur eine Figur bleibt stumm. Was ich sehr bedauert habe, weil sie mich sehr interessiert hätte. Was ist passiert? Stück für Stück offenbart sich die Tragödie. Das Grauen. Hätte es verhindert werden können? Was wäre gewesen, wenn Wade und Ann sich nie begegnet wären? Wäre Jenny trotzdem zur Mörderin geworden? Warum hat Ann Wade geliebt? Warum hilft Ann Jenny? Wer ist hier Täter und wer Opfer, und was, wenn man das so schwarz-weiß nicht beantworten kann? Emily Ruskovich wirft spannende Fragen auf. Familien zerbrechen, weil einer sich in jemand Neues verliebt, Kinder zanken, Mütter reagieren impulsiv, leidenschaftlich. Väter auch. Oder auch nicht. Vieles ist möglich. Manche Taten kann man nicht rückgängig machen, auch ewige Reue und Buße ändern nichts. Niemand kennt alle Puzzleteilchen - außer der Leserin, die in einer exponierten Lage ist, die das wahre Leben so nie präsentiert. Ja, das Ende ist etwas pathetisch. Aber eigentlich passt es ganz gut. Ein besseres fällt mir spontan nicht ein. Ein schönes, tiefgründiges Buch, das mehr Fragen aufwirft, als das es sie beantwortet. Wer das mag, ist hier richtig.

zurück nach oben