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mabuerele

Posted on 25.4.2020

„...Mit Verlaub: Nichts Übernatürliches haftet dieser Medizin an. Im Gegenteil, die Musik ist erprobte Heilkunst. Schon seit Jahrhunderten verordnen erfahren Ärzte den Kranken die nützlichen Tonarten...“ Wir schreiben das Jahr 1222. Der Chirurg Wilhelm und sein Gehilfe Thonis werden nach Toulouse berufen. Dort liegt Graf Raymund im Sterben. Am Bett des Grafen finden sie die Spielfrau Elena. Lange hat Thonis nach ihr gesucht. Dann geht die Geschichte fünf Jahre zurück. Der 16jährige Thonis wollte seinen Bruder auf einen Kreuzzug begleiten. Eigentlich hatte ihn sein Vater für das geistliche Amt bestimmt. Dem kann er aber nichts abgewinnen. „...Vater spielt mit uns, als ob er Schachfiguren auf dem Brett bewegt, dachte er bitter...“ Nach dem Überfall auf das Schiff mit dem Kreuzfahrern gelangt Thonis nach Genua. Auf Grund einer Augenerkrankung hat er seinen Lebensmut verloren. Außerdem glaubt er, dass Mathias tot ist. Da hört er eine junge Frau singen. Die Musik berührt ihn und weckt seine Lebensgeister. Im Hospital bietet Master Wilhelm an, ihn zu behandeln. Thonis wird gesund. Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Die Handlung zeugt von exakter und umfassender Recherche. Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Sehr gut werden die Orte beschrieben. So erfahre ich über Genua: „...Imposante Häuser, prächtig gekleidete stolze Bürger. Die Kirchen waren gemauert und kunstvoll mit Schachbrettmuster verziert. Die bunten Waren auf dem Straßenmarkt und das Himmelsblau wirkten wie ein kunstvoll gewebter Wandteppich...“ Thonis ist ehrgeizig. Er setzt all sein Können dafür ein, Chirurg zu werden. Deshalb folgt er Master Wilhelm nach Bologna. Sein Unterhalt verdient er durch Handreichungen. In Bologna lerne ich das Studentenleben der damaligen Zeit kennen. Ohne reiche Eltern, die ihn unterstützen, braucht Thonis viel Einsatzkraft, um vor allem finanziell über die Runden zu kommen. Wilhelm, der seine Begabung erkennt, setzt sich für ihn ein. Das bedeutet aber auch, dass Thonis ihn auf seinen Reisen begleiten muss. Beide werden immer wieder in die Kämpfe der damaligen Zeit verwickelt, wo ihre Kenntnisse auf den Schlachtfeldern gefordert sind. Elena ist Sklavin. Durch ihre musikalische Begabung ist sie für ihren Herrn wertvoll. Das bringt Neid der anderen mit sich. In der Geschichte lerne ich eine Menge über die Medizin der damaligen Zeit. Erstaunlich, welche Operationen für Könner ihres Faches schon möglich waren. Trotzdem zählten die Mediziner bei den Studenten nicht viel. Das Buch zeichnet sich durch einen hohen Spannungsbogen aus. Das Leben der Protagonisten hängt mehr als einmal an einem seidenen Faden. Gut ausgearbeitete Dialoge geben einen Einblick in das Denken der damaligen Zeit. Krieg und Kampf waren an der Tagesordnung. Die Gier nach Macht und Land bestimmte das Tun und Handeln. Wer nicht wollte, wie er sollte, wurde als Ketzer verschrien und bekämpft. Deutlich wird, wie gering die Chance war, als Kreuzfahrer zu Reichtum zu gelangen. Die Gefahren auf den Weg waren vielfältig. Wer krank oder verletzt zurückblieb, war auf sich allein gestellt. Positiv aufgefallen ist mir das Hospital in Genua. Dort wurden die Verletzten nicht nur behandelt und ausreichend ernährt, man kannte schon wichtige Hygienestandards – eher eine Seltenheit in der damaligen Zeit. Ein Personenregister, ein Glossar und Anmerkungen der Autorin ergänzen die Geschichte. In beiden Umschlagseiten befinden sich Karten der Zeit. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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