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Cupcakegirlreads

Posted on 23.4.2020

„Trotzdem, langsam werde ich richtig betrunken, und als Nigel aus seinem Tütchen eine Pille nimmt und sie mir in die Hand drück, denke ich: Na ja, ich kann das ja mal versuchen. Ich weiß auch nicht, warum ich das mache, denn im Grunde finde ich Drogen absolut widerlich…“ - (S.43) Ein Zitat, dass den Inhalt von „Faserland“ ziemlich genau auf den Punkt bringt. Drogen, Alkohol, Rauchen und ein Erzähler, der Dinge tut, die er eigentlich gar nicht mag, weil er nicht weiß, was er mit dem Leben anfangen soll. „Faserland“ ist das Debüt des am 29. Dezember 1966 in Saanen, Schweiz geborenen Schriftstellers Christian Kracht. Laut ihm ist der Roman der erste Teil eines Triptychons, bestehend aus den Romanen „Faserland“, „1979“ und „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten." Die Neuauflage von „Faserland“ ist 2015 bei Fischer Taschenbuch erschienen. Der Roman selbst ist ein Taschenbuch und umfasst 165 Seiten. Inhalt: Ein namenloser Ich-Erzähler reist durch Städte der ehemaligen BRD und landet auch in der Schweiz. Ohne Ziel, ohne Plan. Von einem Ort zum nächsten. Überall begegnen ihm Bekannte und doch scheint er sie alle nicht zu kennen, will nichts mit ihnen zu tun haben. Ein Leben zwischen Rauchen, Alkohol, Drogen, Feiern - doch ist das überhaupt ein Leben? Was er vom Leben will, weiß er nicht, Veränderung vielleicht. Weg aus Deutschland, das geprägt ist vom Nationalsozialismus. Weg von gesellschaftlichen Zwängen und Normen. Cover und Schreibstil: Das Cover der Neuauflage ist eher schlicht im Stil eines vergilbten Papiers gehalten. Leider wirkt es dadurch eher langweilig und wenig ansprechend. Auch lassen sich durch es keine Rückschlüsse auf den Inhalt ziehen. Symbolisch könnten diese Fasern des Papiers für die einzelnen Teile des Leben des Erzähler stehen. Wie das Papier, zerfällt auch das Leben des Ich-Erzählers innerhalb des Romans Stück für Stück. Christian Krachts Schreibstil ist eher gewöhnungsbedürftig. Vor allem, da der Roman im Stil einer Nacherzählung aus Sicht des namenlosen Ich-Erzählers geschrieben ist und deshalb kaum bis gar keine wörtliche Rede bzw. Dialoge enthält. Dadurch, dass der Roman deswegen zum Großteil nur aus den Gedanken des Erzählers geschrieben ist, fällt der Einstieg schwer. Jedoch ist dieser Schreibstil für die Geschichte ein wichtiges Mittel. Durch diese Erzählweise wird deutlich, wie sehr der Ich-Erzähler sich von der Außenwelt abschottet und sie eigentlich nur von außerhalb betrachtet, anstatt ein Teil davon zu sein. Der große Nachteil dieses Schreibstil ist leider, dass im Roman keine Spannung aufgebaut wird. Man wird nur von einem Ereignis zu nächsten geführt. Charaktere: Protagonist des Romans ist ein männlicher, namenloser Erzähler, der wahrscheinlich Mitte bis Ende zwanzig ist. Einen Beruf scheint er nicht zu haben, da er ohne vorherige Vorkehrungen spontan durch Deutschland reist. Als Teil einer wohl sehr wohlhabenden Familie, ist anzunehmen, dass er von dieser finanziert wird. Alkohol, Rauchen, Feiern, zum Teil Drogen - das ist sein Leben. Scheinbar planlos reist er durch Deutschland, ohne jemals irgendwo anzukommen. Nie bleibt er lange in einer Stadt. Auch Freunde schein er nicht zu haben. Bekannte vielleicht, andere Feierwütige oder Freunde aus einem anderen Leben. Wenn er ihnen begegnet, bezeichnet er sie als Freunde, wenn er weiterzieht, will er nie wieder mit ihnen zu tun haben. Er ist unaufmerksam, hört Leuten beim Reden nicht zu. Nur bei den „Dummen“ lässt er sich überhaupt auf ein Gespräch ein, die andere beleidigt er, ignoriert er. Dank seines gehobenen Lebensstil hat er alles und doch nichts. Seine geliebte Bourborjacke verbrennt er, behauptet, sie nie gemocht zu haben und klaut dann einem Bekannten die seine. Seine Handlungen sind nicht nachzuvollziehen. Er ist unentschlossen, weiß nicht, was er will. Meist tut er das, was die anderen machen. Trinkt Bier, nimmt Drogen und raucht, obwohl er das eigentlich nicht mag. Geht auf Partys, die ihn nicht interessieren. Lässt sich mitreißen von den anderen, da er selbst nicht weiter weiß. All das lässt darauf, schließen, dass irgendetwas in seinem Leben schief gelaufen ist. So scheint es, dass er keine Mutter mehr hat und sein Vater sich nicht um ihn gekümmert hat. Resultierend daraus, scheint er eine Bindungsstörung entwickelt zu haben, weiß nicht wie er mit anderen Menschen umgehen soll. Flieht zum Teil aus Zügen und steigt früher aus, nur weil jemand zu ihm ins Abteil gestiegen ist. Er isoliert sich von der Außenwelt, schottet sich ab - aus Selbstschutz, Angst vor Verlust? Und doch scheint der Erzähler sich eigentlich nach Bindungen zu sehnen. Viele Leute bezeichnet er als Freunde oder Bekannte, ohne dass diese ihn überhaupt wahrnehmen würden. Er kompensiert seine Einsamkeit damit, dass er sich selbst solche Beziehungen vorspielt. So bezeichnet er viele Leute als Nazis, spricht den Nationalsozialismus an, ohne davon wahrscheinlich je wirklich etwas mitbekommen zu haben. Im Roman wird nicht klar, was genau es ist. Vielleicht auch nur das Resultat der Leistungsgesellschaft, in der zwischenmenschliche Beziehungen immer weniger Beachtung finden, in der keine Schwäche gezeigt werden darf. Nebencharaktere gibt es im Roman kaum. Einige alte Bekanntschaften, mit denen der Erzähler nicht kommuniziert. Anstatt sich mit ihnen zu unterhalten, spekuliert er, denkt sich ganze Geschichte um Menschen aus, die meist etwas mit Armut oder dem National-sozialismus zu tun haben. Zum Teil aber auch mit Unzufriedenheit. So schnell die neuen Charaktere auftauchen, so schnell verschwinden sie auch wieder, werden als unwichtig abgestempelt. Fazit: Was soll man sagen, knapp 200 Seiten und doch irgendwie kein Inhalt. Eine Entwicklung nicht zu erkennen. Und das, obwohl es für Geschichten wichtig ist, dass der Protagonist eine Entwicklung durchmacht. Was hier leider nicht mal ansatzweise der Fall ist. Wenn überhaupt, dann geht es dem Erzähler nur noch schlechter als vorher, obwohl er beim gleichen Ausgangspunkt ist. Vorher Alkohol, Drogen, Partys, Rauchen und jetzt? Das selbe. Keine Veränderung. Alles beim alten. Der Erzähler ist allein und bleibt allein, weiß immer noch nicht was er vom Leben will. Was mich am meisten an Faserland stört ist, dass ich nicht weiß, welche Aussage der Autor vermitteln will. Einsamkeit, Leistungsgesellschaft, Nationalsozialismus - alles Themen, die irgendwie angesprochen und doch nicht richtig behandelt werden. Die Gesellschaft wird kritisiert, jedoch werden auch keine Verbesserungsvorschläge gemacht. Der Erzähler, flieht in die Schweiz, die sich aus allem rausgehalten hat. Aber das kann es doch auch nicht sein. Probleme lösen, in dem man sie gar nicht erst angeht bzw. umgeht? Doch genauso scheint es der Erzähler machen zu wollen, er flieht aus Deutschland, kehrt seinem alten Leben den Rücken zu und geht. Doch ob er in der Schweiz einen Neuanfang wagt, erfährt man auch nicht. Insgesamt sehr frustrierend. Selbst weiß ich auch nicht wirklich was ich vom Leben will, jedoch kann ich mich deswegen noch lange nicht mit dem Erzähler identifizieren oder seine Handlungen auch nur ansatzweise nachvollziehen. Drogen, Alkohol, Rauchen, Feiern - alles Themen mit denen ich nichts zu tun habe. Vielleicht ein Grund, weswegen mir das Lesen des Romans nichts gebracht hat und die Handlungen für mich merkwürdig und unverständlich waren. Im Roman wird eine ganz andere Welt dargestellt, bei der ich mich des öfteren gefragt habe - gibt es wirklich Leute, die so leben? Wahrscheinlich bin ich einfach nicht die Zielgruppe - oder vielleicht bin doch genau ich die Zielgruppe, weil mir diese Welt so fremd ist. Leider hat mir der Roman aber nicht geholfen, sie besser zu verstehen. Alles in allem ein schwacher Protagonist, fehlende Spannung und auch nach einer Handlung muss man länger suchen. Ein Roman, der die Gesellschaft kritisiert, aber leider nicht polarisiert. Trotz der Ansprache wichtiger Themen, wird man nicht wirklich dazu bewegt, darüber nachzudenken oder umzudenken.

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