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„Ich werde ein Glanz, und was ich dann mache, ist richtig“ Irmgard Keuns Werk „Das kunstseidene Mädchen“ nimmt uns mit in die Dreißiger Jahre – von einer mittleren Großstadt in Westdeutschland bis nach Berlin. Die Protagonistin Doris verlässt ihre Arbeit im Büro, nachdem sie ihr Chef belästigt. Arbeitslos kommt sie über Beziehungen zu einer Statistenrolle im örtlichen Theater, was sie zu ihrem neuen Ziel „ein Glanz“ zu werden inspiriert. Nach dem Diebstahl eines Pelzmantels, entschließt sie sich in Berlin unterzutauchen, um für den Diebstahl nicht gefasst zu werden. Was diesen Roman so faszinierend macht, ist die Sprache der Erzählerin. Bildhaft beschreibt sie das Ausgehen und in Cafés sein und ihre Mitmenschen. Es zeichnet sich ein klares Bild der Kleiderordnung und gesellschaftlichen Rangordnung. Trotz der Emanzipation über Arbeit eigenes Geld zu verdienen, sehnt sich Doris nach einem Mann bzw. der Bewunderung von Männern. Ihre verschiedenen Männerbekanntschaften sind jedoch nie vollständig befriedigend für sie; unter anderem, weil sie manche nur kennenlernt aufgrund ihrer jugendlichen Schönheit und ihrem koketten Verhalten. Sie spürt aber häufig, dass sie eben nur ein „Freizeitvergnügen“ ist, jedoch nicht „standesgemäß“ genug, um ernsthaft für eine Heirat in Frage zu kommen. Nichtsdestotrotz nutzt sie diese Gönnerhaftigkeit auch, um sich über Wasser zu halten in Berlin als Frau ohne Papiere und geregelter Arbeit. Die Hoffnung jedoch „ein Glanz“ zu werden und damit diese Unterschiede ignorieren zu können, treibt sie an weiter in Berlin zu bleiben. Neben dem brodelnden Großstadtleben, erfährt man jedoch auch über den inneren Monolog viel über die Lebensumstände des Gros der Bewohner von Berlin um 1932 und sieht wie durch ein Brennglas die ungewissen Versorgung der Menschen und prekäre Arbeitssituation vieler Menschen. Eine absolute Leseempfehlung, da neben der Handlung auch die Sprache absolut erfrischend ist.