ankasgeblubber
Ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Ein Buch, das bewegt. Obwohl ich am Ende nicht zu 100% zufrieden aus dieser Geschichte auftauche, da mir noch zu viele Fragezeichen im Kopf umherschwirren und die ein oder andere Frage einfach unbeantwortet bleibt, möchte ich euch dieses Buch dennoch ans Herz legen. Dieses Buch war anders, wobei das eigentliche Thema kein neues ist. (Cyber)mobbing! In der heutigen Zeit allgegenwärtig und auch immer häufiger nicht nur in den Medien, sondern auch in aktuellen Jugendbüchern zu finden. Doch in "das wirst du bereuen" wechseln wir den Blickwinkel und erleben hautnah, wie ein junger Mensch bewusst schikaniert und fertig gemacht wird und das ganze erzählt aus der Sicht einer "Täterin". Was veranlasst ein junges, eigentlich sehr schüchternes Mädchen dazu, eine Mitschülerin so dermaßen zu mobben, das diese schließlich keinen Ausweg mehr sieht und sich das Leben nimmt? Welche Folgen hat dieser letzte Hilfeschrei? "Meine Knie sind immer noch weiß, weil ich den ganzen langen Sommer in geschlossenen Räumen verbracht und über meine Gefühle und über ein Mädchen gesprochen habe, das ich kaum kannte und das nicht mehr leben wollte. Nicht in einer Welt, in der es mich gab. Und ich bin immer noch da, in dieser Scheißwelt. Und kämpfe gegen ihren Geist." Seite 127 Plötzlich muss sich Sara, ein sehr unsicheres Mädchen, das sich nichts sehnlicher wünscht als anerkannt und wahrgenommen zu werden, die Frage stellen, ob sie Schuld am Emmas Selbstmord ist. Emma - ein Mädchen, das sie gehasst hat, das alle gehasst haben. Emma, die allen als "die Schlampe" bekannt ist, weil sie sich an jeden älteren Typen der Schule ranschmeißt und selbst vor Saras Freund nicht Halt macht. Gut, dass Sara sich in dieser schweren Zeit auf ihre "beste Freundin" Brielle verlassen kann. Brielle ist, im Gegensatz zu Sara, überall beliebt, wird täglich auf den aktuellsten Partybildern bei Facebook verlinkt und hat einen guten Draht zu den begehrten Zwölftklässlern. Dank Brielle ist Sara Jemand. Dank Brielle hat Sara ihren ersten festen Freund kennengelernt. Es ist eine Art Rausch, in den die Mädchen verfallen, als sie immer mehr Gefallen daran finden, ihre Mitschülerin fertig zu machen und vor der ganzen Schule bloß zu stellen. Es tut gut, es der Schnalle heimzuzahlen, sie zu demütigen und schließlich als Siegerin aus dem Ring zu gehen, während sich Emma immer mehr zurückzieht. Doch jetzt ist Emma tot und Sara und ihre Freunde sitzen auf der Anklagebank - und das wortwörtlich. Sie werden des Mobbings beschuldigt und sollen Emma systematisch in den Selbstmord getrieben haben. Für die Presse ein gefundenes Fressen. Doch jede Medaille hat zwei Seiten. Warum musste es so weit kommen? Was veranlasst ein junges Mädchen, das sich eben noch rührend um ihre jüngeren Brüder gekümmert hat, dazu, ein anderes Mädchen kaputtzumachen? Warum fühlt sie sich auch noch gut dabei? Und was steckt wirklich hinter Emmas Verhalten? Hat sie es verdient, beschimpft und erniedrigt zu werden? Warum in aller Welt muss Sara ihren Kopf dafür hinhalten, wenn die unbeliebte und von allen gehasste Emma ihr den Freund ausspannt und damit schließlich nicht mehr leben kann? "Keiner versteht, dass Emma, als sie den letzten Schritt tat, uns alle mit sich gezogen hat." Seite 157 Amanda Maciel wählt einen interessanten Aufbau für ihre Geschichte. Wir lernen Sara kurz vor ihrer Gerichtsverhandlung kennen und bekommen in Rückblenden häppchenweise erzählt, was damals passiert ist, wie alles begonnen und schließlich dramatisch geendet hat. Sara berichtet ihrer Anwältin und ihrer Psychologin, wie sie die ganze Situation erlebt hat. Wir springen hin und her, zwischen Vergangenheit und Gegenwart und begleiten Sara dabei auf ihrem steinigen Weg zu sich selbst. Bereut sie, was sie getan hat oder ist sie sich keiner Schuld bewusst? Geschickt hält die Autorin ihren Lesern auch immer wieder selbst einen Spiegel vor, spielt mit ihnen, ihren Sympathien und Antipathien, lässt sie zweifeln. Wer ist schuldig? Wer ist böse? Mit wem sollten wir Mitleid haben? Mit Emma? Oder mit Sara? Dass es hier kein Schwarz oder Weiß, sondern viele verschiedene Grautöne, sehr viele verschiedene Seiten, Beweggründe, Auslöser, Gefühle und Hintergründe gibt, wird einem beim Lesen bewusst. Die Autorin leuchtet in jede Ecke und zeigt auf, was wozu führen kann. Am Ende ging es mir dann aber doch zu schnell und ich konnte Saras Verhalten zwar verstehen, es ihr aber nicht abnehmen. Ich hatte das Gefühl, dass es am Ende etwas schwammig wird, insbesondere was Saras "Freunde" angeht. Ich denke bzw. hoffe, dass die Fragezeichen in meinem Kopf absichtlich dort platziert wurden und die Autorin ihre Leser auf diese Weise noch mehr zum Nachdenken animieren möchte. Abgerundet wird diese Geschichte durch Amanda Maciels sehr authentischen Schreibstil. Auch, wenn die harte Jugendsprache nicht zu kurz kommt, Ausdrücke wie "Schlampe" und "Schnalle", sowie Ausrufe wie "Was geht?" nicht zu knapp fallen, finden sich hin und wieder auch ruhige, nachdenklichere und sehr (ausdrucks-)starke Passagen, die mir die Qualität des Textes und das Können der Autorin vor Augen gehalten haben. Dieser Mix ist ihr unglaublich gut gelungen, damit konnte sie mich abholen, nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern auch Volltreffer ins Herz landen. "Wie ferngesteuert ziehen meine Hände die Kappe vom Stift und legen den Notizblock richtig herum auf meine Knie. Ich sehe irgendwie nur zu. Mein Mund ist trocken, mein Magen ist verkrampft, mein Leben ist vorbei, mein Herz ist gebrochen. Ich fange an zu schreiben." Seite 200