daniliest
„Das Erbe“ ist nach „Die Vergessenen“ und „Der Verrat“ bereits der dritte Roman, den Inge Löhnig unter dem Pseudonym Ellen Sandberg schreibt. Sowohl die Romane als auch die Krimis sind für mich meistens ein Garant, dass ich fünf Sterne vergeben werde. Auch bei dieser neuen Veröffentlichung war ich schon nach wenigen Seiten mitten im Geschehen. Erzählt werden zunächst einmal drei Handlungsstränge. Sabine ist eine Person, die jedes Vorurteil gegenüber Hartz IV Beziehern erfüllt. Arbeit hält sie finanziell für unrentabel. Wenn sie einen neuen Kühlschrank braucht, stellt sie einfach einen Antrag beim Amt. Sie träumt gerne von teuren Kreuzfahrten und Luxuswagen. Als sie auf Ungereimtheiten in ihrem Stammbaum stößt, wittert sie eine Chance um an Geld zukommen. Ein komplett gegensätzlicher Charakter ist Mona. Sie ist rücksichtsvoll und hilfsbereit. Jederzeit versucht sie sozial Schwächere zu unterstützen. Von ihrer Familie wird sie gnadenlos gemobbt und ausgenutzt. Als sie eine überraschende Erbschaft macht und plötzlich zur Millionärin wird, kann sie sich vor Schmarotzern kaum noch retten. Parallel dazu erfahren wir noch die Geschichte von Monas Tante Klara, die in den 30er Jahren eine jüdische Schulfreundin hatte. Verrat und Lügen nehmen ihren Lauf und sollen Klara ihr ganzes Leben lang begleiten. Von Zwangsenteignungen und Denunziationen hat man schon öfters gelesen, trotzdem ist das Unrecht, dass der Familie Roth angetan wurde, nicht weniger ungeheuerlich. Ellen Sandberg verstrickt sehr geschickt die Schicksale mehrerer Familien über Generationen hinweg. Dafür verdient sie mein volles Lob. Wir reden hier nicht nur von zwei Personen. Es geht um eine Vielzahl von Menschen. Neben den erwähnten Charakteren spielen auch noch Sabines Oma, ihr Vater und Monas neue Bekanntschaft Tim eine Rolle. Ich fand es wirklich faszinierend, wie sich all das im Verlauf der Handlung zu einem großen Ganzen zusammengefügt hat. Man konsumiert hier nicht nur, sondern das Hirn wird aktiv beim Lesen gefordert. An manchen Stellen habe ich sogar nochmal zurückgeblättert um Abschnitte ein weiteres Mal zu lesen. „Das Erbe“ regt in jedem Fall zum Nachdenken an. Wie würde man sich selber in einer solchen Situation verhalten? Ich konnte Monas Zerrissenheit gut nachempfinden. Es gab jedoch eine Sache, die mich so sehr gestört hat, dass ich letztendlich deswegen einen Stern abgezogen habe. Bis auf Monas Freunde sind alle Charaktere einfach nur furchtbar. Damit meine ich nicht nur unsympathisch, denn die Personen sind allesamt dermaßen geldgierige Raffzähne, dass man nur die Hand vor Augen schlagen kann. Mir hat es wirklich leid getan, wie Mona permanent ausgenutzt wurde und wie skrupellos und selbstverständlich diese Menschen große Mengen Geld von ihr fordern. Ich fand die Häufung dieser materiell eingestellten Personen sowie die Darstellung der Hartz IV Empfänger schon sehr überspitzt und schubladenmäßig. Gleichzeitig könnte ich mir auch vorstellen, dass mit diesen Charakterisierungen der Gesellschaft ein wenig der Spiegel vors Gesicht gehalten werden soll. Ein nettes Easter-Egg war, dass auch Kommissar Dühnfort einen kurzen Gastauftritt hatte. Zusammenfassend kann ich sagen, dass auch dies wieder ein sehr fesselnder Roman war, auch wenn er nicht ganz an seine Vorgänger herankommt. Ich halte die Autorin für sehr talentiert und bin gespannt, was sie sich als nächstes einfallen lässt.