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Josie

Posted on 18.4.2020

„Kann Spuren von Geistern enthalten“ lag viel zu lange auf meinem Sub. Aber soll ich euch was sagen? Es ist das perfekte Halloweenbuch, wenn auch ein Hauch von Liebe darin vorkommt. Nicht so die typische „Ringelpiez mit Anfassen“ Liebe, sondern eine, die tiefer geht. Ein Gefühl, das sich allmählich anschleicht und sich wie ein Geist um deine Schultern legt. Dich einhüllt und dir in unbedachten Momenten Wärme und Geborgenheit schenkt. Die Art von Liebe findet man in der Geschichte. Der Stil der Autorin ist wie immer speziell. Nicht so speziell wie in ihren Vorgängern, nein. Die Geistergeschichte erzählt sie bodenständiger. Mit so viel Bezug zur Realität, wie es mit parapsychischen Erscheinungen eben möglich ist. Es ist fast schon Urban Fantasy. Mit abgedrehten Situationen und Humor, der manchmal zu viel erscheint und rückblickend dann wieder genau richtig. Mit nicht nur einem, sondern gleich drei Geistern, die ihre schillernden Fäden durch die Geschichte ziehen. Der Leser begibt sich auf eine Reise mit Ben. Ben, das 25-jährige „Blümchen“, der als angehender Pilot zusammen mit der haarfarbenprächtigen Anka und dem peniblen Hottie Linus eine WG bildet. Eigentlich ist ihr Zusammenleben recht harmonisch. Von regelmäßigen Auseinandersetzungen bezüglich Bens Unordnung und Ankas Haarfärbetornados im Badezimmer einmal ganz abgesehen. Bis zu einem schicksalhaften Tag im Mai, an dem Ben das erste Mal kleine, feine „Aussetzer“ in der Realität auffielen. Alles begann mit einem abgeschraubten Zahnpastatubendeckel. Alleine die Vorstellung, dass eine Kette von Ereignissen von einer Zahnpastatube und ihrem Deckel ausgelöst wurde, bringt mich jetzt noch zum Schmunzeln. Und während die Autorin im ersten Drittel irgendwie alles rausgehauen hat, was sie an komischen, abstrusen und humoristischen Situationen zu bieten hatte, ging es in den letzten zwei Dritteln deutlich ruhiger zu. Der anfängliche Lachflash hatte sich gelegt, das Dasein von Gespenstern wurde akzeptiert und Ben‘s Geist hatte sich anderen Aufgaben zugewandt, als Krieg mit ihm zu führen. Wenn auch nicht weniger merkwürdigen Dingen. Neben dem Erzählstrang „Gegenwart“ gibt es - und diesen fand ich ganz besonders klasse - eine Geschichte, die von einem arroganten, reichen Jungen des 16ten Jahrhunderts erzählt. Levins Story floss immer mal wieder ein und legt dem Leser die Anfänge der Geisterjagd dar. Ich muss gestehen, diese kleine Zwischengeschichte hat mir in den Umschreibungen und vom Feeling her teilweise besser gefallen als die Gegenwart. „Den Mörderstein nannten sie ihn. Er war dunkel und ragte gebeugt aus seinem irdenen Bett, als ob die Last der Jahre ihn unaufhaltsam dem Erdkern zudrückte. Wenn nachmittags die Sonne für ein paar Sekunden aus der Nebeldecke über dem Wald brach, kitzelten ihre bleichen Strahlen die Perlen aus Eis, die wie Winterfrüchte an den Ästen der nahen Tannen hingen. Dann schmolzen sie zu winzigen Wassertropfen. Von den Nadeln fielen sie auf die schieferne Oberfläche des Steins, der unter den Bäumen Unterschlupf gefunden hatte. Und dort gefroren sie erneut. Im Winter war der Mörderstein stets von einer dicken Frostschicht umhüllt.“ (Seite 77) Und obwohl ich Sarahs Stil immer noch liebe, ihre verschachtelten, ineinander verwobenen Sätze verpassen einem nämlich stets ein großartiges Kopfkino - so fehlte mir in dieser Geschichte irgendwie ein kleiner Funken. Die Charaktere kann man nur klassisch als verrückt und lebensverwurzelt bezeichnen, selbst die Geister. Für mich als Leser war es wie eine Reise in die Zwischenwelt. Ein Spiel mit ungewissem Ausgang. Die Spannung wurde durch Ungewissheit erzeugt. Ich konnte mir zwar während der Handlung selbst Gedanken machen, wohin das führt, trotzdem blieb ich bis zur Hälfte ahnungslos. Es war irgendwie nur ein Dahinplätschern von Ereignissen. Was ich damit sagen will: Mir war es nicht spannend genug, es fehlte ein Knackpunkt, ein Schubs in die richtige Richtung - überraschend und grob. Die ganze Geschichte war in der Gegenwart so ruhig. (Mal abgesehen von Senfsocken werfenden, um sich brüllenden, Wasserschildkrötenheimsuchenden Geistermädchen, die ihren Zorn nicht beherrschen können.) So ganz anders als gewohnt. Versteht mich nicht falsch, ich habe es trotzdem super gern gelesen, alleine schon für das Flair, das die Autorin in jedem Buch erschafft, aber irgendwie hat es nicht geknistert und geknackt und mich gänzlich abgeholt. Sondern nur zu 85%. Fazit: „Kann Spuren von Geistern enthalten“ ist wieder eine besondere Geschichte. Wenn man mit Sarahs Büchern schon vorher nichts anfangen konnte, sollte man die Finger davon lassen - und wenn man sich an ihren Schreibstil gewöhnen will, dann ist dieses Buch ein sehr guter Start. Es erzählt eine außergewöhnliche Urban Fantasy Geisterstory vom Jenseits und vom Diesseits. Von philosophischen Fragen über den Tod und das Leben und was verlorene Seelen eigentlich in unserer Welt hält. Mit skurrilen Charakteren, die sicherlich irgendwo auf der Erde so existieren könnten, setzt sich die Autorin mit dem Thema Übernatürliches auseinander und erschafft ein Buch voll Seelenschmiere, wunderbarem Humor, Geisterfängern und bösen Staubsaugerrohren. Einzig ein wenig Spannung und Action hat gefehlt - doch das machen die Atmosphäre und die unzähligen interessanten Welten, in die man entführt wird, schon fast wieder wett.

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