alina ✨
Es gibt diese Bücher, bei denen man einfach nicht weiß, wie man sie anständig rezensieren soll und keine Worte der Welt reichen, um das Gelesene wiederzugeben. Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte von Jeremy Dronfield ist so ein Buch, denn es ist gleichermaßen schockierend aber auch so voller Hoffnung. Aber worum geht es überhaupt? 1938 werden die beiden österreichischen Juden Gustav Kleinmann und sein Sohn Fritz von Wien in das Konzentrationslager Buchenwald derportiert. Dort durchleben sie die Hölle und doch bleibt ihr Zusammenhalt so stark, dass sie sämtliche Torturen überleben. Später soll Gustav nach Auschwitz derportiert werden. Fritz aber nicht. Da sich die beiden aber nicht trennen wollen, folgt Fritz seinem Vater nach Auschwitz und die beiden überleben die schrecklichen Jahre in den verschiedenen Konzentrationslagern zusammen. Gustav Kleinmann arbeitete als Polsterer in der Wiener Leopoldstadt und obwohl seine Arbeit nicht wirklich viel abwarf, kümmerte er sich doch liebevoll um seine Ehefrau Tini und seine vier Kinder Herta, Edith, Fritz und Kurt. Auch den Weg ins Konzentrationslager tritt er mit der Hoffnung an seine Familie irgendwann wieder vereint zu sehen und das hält ihn womöglich am Leben. Das und sein unbändiger Wille zum Überleben. Obwohl er so manche Aktion seines Sohnes nicht gut heißen möchte, steht er trotzdem immer hinter ihm und unterstützt ihn. Aber auch Fritz ist immer für seinen Vater da. Er machte in Wien ebenfalls eine Ausbildung zum Polsterer und das gelernte Handwerk bringt ihn im Lager sehr voran. Er zeigte oftmals Mut und brachte sich dadurch in manch brenzlige Situation. Trotzdem war auch er voller Tatendrang und hatte den selben starken Überlebenswillen wie sein Vater, was ihm durch so manche Situation geholfen hat. Für ihn stand nicht nur sein eigenes Wohl an erster Stelle sondern auch das seines Vaters und seinen engsten Vertrauten. "Ihr Überlebenswille, die enge Bindung zwischen Vater und Sohn, ihr Mut, aber auch ihr Glück liegen jenseits aller heutigen Vorstellungskraft, doch sie waren es, die die beiden während aller Qualen am Leben hielten." (Kurt über Fritz und Gustav, S. 13) Das Buch ist insgesamt in vier Teile gegliedert und beginnt mit dem Teil "Wien". Hier bekommt man als Leser viele Einblicke in das frühere Leben der Familie Kleinmann, wodurch man nicht nur die ganze Familie besser kennen lernt sondern sich auch das Leben in Wien gut vorstellen kann. Außerdem erhält man nochmal viele Hintergundinformationen zu den Anfängen des Nationalsozialismus in Österreich, die mir so zum Teil gar nicht bewusst waren. Die weiteren Teile gliedern sich in "Buchenwald", "Auschwitz" und "Überleben". Meiner Meinung nach ist Jeremy Dronfield gelungen die Zeit in den verschiedenen Konzentrationslagern auf Grundlage von Gustavs Tagebuch und anderen Zeugenberichten sehr detailreich darzustellen. Dabei verweist er auch immer wieder auf andere Quellen und in den Anmerkungen erhält man noch zahlreiche Hintergundinformationen. Es war sehr schockierend zu lesen, wie mit den Menschen umgegangen wurde und es hat mich teilweise einfach nur wütend gemacht und mir die Tränen in die Augen getrieben. Teilweise musste ich immer wieder Pausen einlegen, um das Gelesene zu verarbeiten. "Irgendwann muss man doch die Fähigkeit zum Entsetzen verlieren? Irgendwann muss man doch abstumpfen, versteinern, sich daran gewöhnen, taub werden. Das moralische Empfinden muss unter einer so endlosen Reihe von Verletzungen doch irgendwann Narben davontragen." (Seite 164) Aber es stehen nicht nur reihenweise Folterungen und menschenunwürdige Misshandlungen sowie Hunger und Todesangst im Vordergrund sondern Jeremy Dronfield hat auch einige fast schon wunderbare Momente aufgezeigt. So zeigt er, dass man mit Zusammenhalt, Solidarität und einem starken Lebenswillen jede noch so schwere Folter überstehen kann. Es war schon fast "schön" zu lesen, wie die verschieden Häftlinge sich gegenseitig unterstützt haben. Die Geschichte von Fritz und Gustav war nämlich nicht nur von Angst, Schmerzen und Trauer gezeichnet sondern auch voller Hoffnung auf ein besseres Leben nach Auschwitz. "Wenn Fritz eins von Leo gelernt hatte, dann das, dass Freundlichkeit an Orten zu finden ist, an denen man es am wenigsten erwartet." (Seite 232) Dabei ist der Schreibstil von Jeremy Dronfield nicht nur fesselnd sondern auch sehr bildhaft und detailreich. Das Buch konnte mich auf so vielen emotionalen Ebenen mitnehmen, denn ich war nicht nur schockiert und wütend, sondern auch hoffnungsvoll und teilweise hat es mich sogar zum schmunzeln gebracht. Ein kleiner Kritikpunkt meinerseits ist, dass keine Karten von den Lagern abgebildet sind. Auch wenn es einige Bilder und Abbildungen gab, hätte ich mir die Gegebenheiten und Dimensionen innerhalb der verschiedenen Lager sowie der Arbeitsstätten nochmals besser vorstellen können. Besonders gut hat mir an dem Buch auch gefallen, dass nicht nur Gustavs und Fritz' Lebensweg beleuchtet wurde sondern man auch immer wieder Einblicke in das Leben der zurückgelassenen Familie erhalten hat. Das hat die Geschichte meiner Meinung nach nochmal vielschichtiger gemacht, denn es wurden eben nicht nur die Taten im KZ beleuchtet sondern auch die Gegebenheiten in Wien. Tini hat alles dafür getan, dass es ihren Kindern gut geht und sie Österreich schnellstmöglich verlassen können. Bei Edith und Kurt hat dies auch geklappt, denn die beiden konnten ein neues Leben in England bzw. den USA beginnen. Herta konnte allerdings keinen Neustart wagen und so blieb sie mit ihrer Mutter in Wien zurück. Ich habe die ganze Zeit mit den beiden mitgehofft und war umso schockierter als auch sie deportiert wurden. Meiner Meinung nach ist Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte ein Buch, das viel mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte. Es ist nicht nur äußerst schockierend und gibt viele Hintergrundinformationen preis sondern ist auch wahnsinnig lehrreich. Denn meiner Meinung nach zeigt die Geschichte von Gustav und Fritz, dass man mit Hoffnung, Mut und Zusammenhalt eben vieles überwältigen kann.