ankasgeblubber
Schon das unheimliche Zitat zu Beginn ließ mir das Blut in den Adern gefrieren: "Ein Dorf mit wenigen Häusern ist ein böses Dorf." (aus Griechenland) Vorsichtig blätterte ich um, wagte einen Blick auf den Prolog und fand mich als stummer Beobachter einer sehr düsteren und angsteinflößenden Zeremonie wieder. "Sie bildeten einen Kreis um den Tisch und hielten sich an den Händen. Niemand sprach ein Wort. Nur der Wind, der sich hier und da zwischen den groben Brettern hindurchdrückte, erfüllte die Scheune mit einem wispernden Geräusch." (Seite 9) Beim Lesen dieser drei kurzen Sätze erschienen direkt Bilder vor meinem inneren Auge. Doch waren es wirklich bloß Bilder? Die Luft in der Scheune roch etwas muffig und war erfüllt von einer greifbaren Spannung. Spürte ich Angst? Ich fröstelte und riss die Augen weiter auf um mehr von der unheimlichen Szenerie zu erfassen, doch viel mehr konnte ich nicht erkennen, denn nach diesem doch recht kurzen und wohl eher nicht für unsere Augen bestimmten Einblick, wechselte die Perspektive. Nur einen Wimpernschlag später stand ich in Bastian Thanners Schlafzimmer. Das schrille Klingeln seines Telefons riss ihn aus dem Schlaf. Im ersten Moment hatte er den ruhestörenden Anrufer noch verflucht, nun rutschte ihm beim Klang der panischen Stimme am anderen Ende der Leitung das Herz in die Hose. Anna, seine große (und mittlerweile verflossene) Liebe flehte um Hilfe. Sie sei entführt worden und hatte Todesangst. Abrupt riss die Verbindung ab. Zusammen mit Bastian und seinem Kumpel Safi machte ich mich auf die Suche nach Anna. Wir folgten ihrer Spur, die sich in einem kleinen Dorf an der Müritz verlor... Schon auf der Fahrt dorthin legte sich ein Nebel über die Seiten. Die Bilder, die vor meinem inneren Auge entstanden, wurden unscharf, verloren an Farbe und eine nasse Kälte kroch an mir empor. Wenn jemand die Atmosphäre mit einfachen Worten spürbar machen kann, dann Arno Strobel. Ihm gelingt es immer wieder, zielsicher genau die Knöpfe an mir zu drücken, die meine Phantasie ankurbeln und ganze Filme in meinem Kopf entstehen lassen. Das Geschehen um mich herum nahm ich längst nicht mehr wahr, denn ich war angekommen. Angekommen im Dorf ohne Wiederkehr. Was genau ich an Bastians und Safis Seite erlebte, das behalte ich an dieser Stelle für mich, denn jedes Wort, das das weitere Geschehen beschreibt, wäre ein Wort zu viel. Begebt euch selbst auf diese Reise ins Ungewisse. Vergesst aber nicht eure Taschenlampen und eine Extraportion Mut. Außerdem solltet ihr einen Zettel hinterlassen, mit den genauen Angaben, wo ihr euch befindet, denn das Dorf ohne Wiederkehr trägt seinen unheilvollen Namen nicht umsonst. Wenn ihr euch tatsächlich traut und uns folgt, erwarten euch düstere, unheimliche, mörderische, gruselige und spannende Lesestunden, in denen der Autor mit euch Katz und Maus spielt. Nicht nur ein Mal ist es ihm gelungen, mich aufs Glatteis zu führen und komplett zu verwirren. Nicht nur Protagonist Bastian beginnt irgendwann an seinem Verstand zu zweifeln, auch ich ließ das Buch beim Lesen immer wieder kurz sinken, starrte Löcher in die Luft und wusste nicht mehr, was oder wem ich glauben sollte. Dann kam der Moment, in dem ich dachte, "Jetzt hast du den Strobel durchschaut", doch natürlich kommt alles ganz anders. Da stehe ich nun also wie ein kleines Naivchen im strömenden Regen, während sich der Autor heimlich ins Fäustchen lacht. Wie ihr lesen könnt, hat mich "Das Dorf" gefangen genommen. Ich bin ein großer Fan von Strobels atmosphärischen Beschreibungen, die auch seinen neuesten Psychothriller so greif- und spürbar machen. In jeder einzelnen Sekunde, die ich in dieser Geschichte verbrachte, fühlte ich mich unwohl und hätte Bastian am liebten gepackt, um mit ihm gemeinsam davonzulaufen. Doch ich war machtlos und musste ihm dabei zusehen, wie er ahnungs- und völlig chancenlos in sein Verderben ging. Gekonnt treibt der Bestsellerautor seine fiesen Spielchen auf die Spitze und lässt sie in einem brutalen und beklemmenden Showdown enden. Wer hoch fliegt, der kann tief fallen - so sagt man es doch, oder? Nach dem Höhenflug folgte für mich nämlich der harte Aufprall. Ein bisschen zu schnell und zu einfach präsentierte sich mir die Auflösung. Ernüchterung machte sich breit und ich schlich durch die nächsten Seiten. Hier verlor die Geschichte für mich ein Stück weit an Glaubwürdigkeit und ich wollte mich mit dieser Erklärung nicht zufrieden geben. So las ich weiter, denn wenige Seiten blieben mir noch... Tatsächlich gelang es Strobel noch einmal, mich zu überraschen. Innerlich feierte ich diesen Ausgang der Geschichte und den Mut des Autors. Mein Fazit fällt somit nicht zu 100% positiv aus. Doch trotz der etwas enttäuschenden und für mich zu einfachen Auflösung, ist "Das Dorf" mehr als lesenswert. Mit seinen atmosphärischen Beschreibungen macht Arno Strobel sein Buch zu einem packenden, beklemmenden und gruseligen LeseERLEBNIS, das nicht nur Bilder entstehen lässt, sondern auch mit jeder Faser des Körpers spürbar ist.