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kingofmusic

Posted on 15.4.2020

…und wieder eine Neuentdeckung für mich. Ich habe zwar schon das ein oder andere Mal den Namen James Baldwin durch die (un-)endlichen Weiten diverser Communities laut rufend und flüsternd gehört, gelesen hatte ich bislang aber nichts von ihm. Das hat sich nun geändert und ich heiße James Baldwin in der langen Reihe meiner (neuen) Lieblingsschriftsteller willkommen. Ich durfte im Rahmen einer Leserunde seinen erstmals 1956 veröffentlichten Roman „Giovannis Zimmer“ lesen, mit dem er lt. Beschreibung ein Tabubruch beging: als schwarzer Autor schrieb er die Geschichte einer Liebe zwischen zwei weißen Männern. Aus heutiger Sicht lässt sich natürlich nur der Kopf schütteln ob der Anfeindungen, die sich Baldwin nach der Veröffentlichung gefallen lassen musste, da es heutzutage - nicht wesentlich aber trotzdem - einfacher ist, als Schwuler oder als Lesbe zu leben und (öffentlich) zu seiner Liebe zu stehen. Die Protagonisten David und Giovanni können eigentlich nicht unterschiedlicher sein – und sind sich doch in gewisser Weise sehr ähnlich. Denn beide sind nicht wirklich in der Lage, lieben zu können – auf die ein oder andere Art. David ist ein Lebemann, der sich lieber aushalten lässt und seinen Papa im fernen Amerika um Geld bittet statt zu arbeiten. Giovanni verdient sein Geld in einer Schwulenbar in Paris. Da lernen sich unsere beiden Helden auch kennen. Von vornherein wissen die Leser*innen, dass diese (Liebes-)Geschichte tragisch endet; heißt es doch schon im ersten Satz „Ich stehe am Fenster dieses prächtigen Hauses in Südfrankreich, als die Nacht anbricht, die Nacht, die mich zum schrecklichsten Morgen meines Lebens führen wird.“ (S. 9) Im Lauf der Lektüre lernen wir die ambivalente Haltung Davids zu seiner eigenen sexuellen Orientierung kennen; auf der einen Seite seine klar homosexuelle Neigung, die er zwar schon als Jugendlicher entdeckt, sich dessen aber schämt und letztlich vergisst bzw. verdrängt. Bis – ja, bis er im Paris der 1950er Jahre auf Giovanni trifft, obwohl er zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur auf seine Freundin Hella wartet, die sich ob seines Heiratsantrags eine Bedenkzeit in Spanien erboten hat. Schließlich kommt es zum furios-tragischen Showdown, als David Giovanni für Hella verlässt – und am Ende ganz allein dasteht… Die Sprache Baldwins ist meisterhaft; sie entfacht bereits auf der ersten Seite einen Sog, dem sich die geneigte Leserschaft bis zum Schluss nicht mehr entziehen kann. Baldwin ist ein Poet, ein kluger Beobachter seiner Zeit; die oft philosophisch formulierten Gedanken gehen den Leser*innen in Mark und Bein über und man ist (fast) geneigt, nach dem äußerst hilfreichen und lesenswerten Nachwort von Sasha Marianna Salzmann den Roman gleich noch einmal zu lesen. Und auch jetzt – einige Tage nach der Lektüre - würde ich am liebsten noch einmal in das Paris der 1950er Jahre reisen, David schütteln und sich zu seiner Liebe zu Giovanni bekennen lassen. Dann hätte das Ende verhindert werden können *g*… So oder so: „Giovannis Zimmer“ ist ein sprachliches Meisterwerk und verdient nichts Anderes als 5* und eine glasklare Leseempfehlung! ©kingofmusic

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