Mia
Nach all den unterschiedlichen Meinungen war ich sehr gespannt, was ich von dem Roman "Meine geniale Freundin" von Elena Ferrante halten würde. Zu meiner großen Freude kann ich sagen, dass mich die Geschichte der beiden neapolitanischen Freundinnen total begeistert hat. Die Geschehnisse werden recht nüchtern und zum Teil durch lange Aufzählungen erzählt und der ein oder andere Leser empfand dies sicherlich als langatmig oder als Füllmaterial für ein dickeres Buch. Ich dagegen denke, dass man dadurch als Leser einen besseren Eindruck von Elena erhält. Auch im hohen Alter erinnert sie sich noch an sehr viele Einzelheiten, vor allem an Menschen in ihrer Umgebung. Elena ist ein Mensch mit einer besonderen Beobachtungsgabe, der zudem auch sensibel sein könnte, und dem deshalb die Schicksale von Freunden und Bekannten nahe gehen. Die Autorin lässt Elena munter drauf los erzählen und den Leser sein eigenes Bild von Elena machen. So empfindet jeder Leser anders. Ich zum Beispiel empfand es nicht langatmig, sondern eher geheimnisvoll. Zudem sorgt dir ausdrucksstarke und warmherzige Sprache dafür, dass ich das Gefühl hatte, in jeder Situation wirklich dabei zu sein. In meinem Kopf konnte ich mir das Neapel der 50er Jahre und seine Bewohner sehr plastisch vorstellen. Diese beiden Aspekte machen das Buch für mich zu einem ganz besonderen Werk. Die Handlung steht hier nicht im Fokus, im Vergleich zu anderer moderner Literatur. Vielmehr versteht es Elena Ferrante die Gefühle und Gedanken der Ich - Erzählerin in den alltäglichen Situationen spannend und bildhaft in Worte zu fassen. Dies ist meiner Meinung nach viel schwieriger als eine handlungsorientierte Geschichte fortzuschreiben. Als einen spannenden Aspekt empfinde ich, dass das Buch mit dem Verschwinden von Lila im hohen Alter beginnt und wir nun aber erst einmal die Lebensgeschichte ab der Kindheit erzählt bekommen. Dadurch habe ich Lila ganz besonders in den Schilderungen ihrer Freundin Elena beobachtet, um Anhaltspunkte zu finden, warum sie diesen Schritt getan haben könnte. Dies finde ich sehr fesselnd und so freue ich mich auf die nächsten Bände, um irgendwann diesem Rätsel auf die Schliche zu kommen.