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Caillean

Posted on 13.4.2020

Zwei Frauen auf dem Weg in die Zukunft Therese und Gisela sind jung und haben das Leben vor sich – sie stellen Anfang der 1950er Jahre die Weichen für ihr späteres Leben, obwohl sie doch gleichzeitig ihre Jugend genießen möchten. Doch Frauen wird es in dieser Zeit nicht leicht gemacht – schon gar nicht, wenn sie ambitioniert sind wie Therese und nicht mit ihren weiblichen Attributen punkten wollen oder können. Therese lebt für ihr Studium. Als eine von nur zwei Frauen hat sie es bis ins letzte Jura-Semester geschafft und sich gegen ihre Kommilitonen behauptet, die Frauen lieber als Heimchen am Herd sehen wollen und nicht als Rechtsanwältin oder Richterin im Berufsleben. Aber Therese träumt davon, eine der ersten weiblichen Berufsrichter zu werden – und sie opfert diesem Kampf letztlich sogar ihr Privatleben. Gisela scheint auf den ersten Blick eine junge Frau zu sein, die einen „typischen“ Lebensweg der 50er Jahre geht. Ausbildung, fester Freund, Verlobung… und nach der Hochzeit würde ihr Felix sie ebenfalls gern als seine treue, liebende Ehefrau sehen, die keine seiner Entscheidungen in Frage stellt. Doch Gisela ist mit Leib und Seele Schneiderin und hat sich vorgenommen, auch nach der Hochzeit weiterzuarbeiten. Ob sich das verwirklichen lässt in einer Zeit, als Frauen die Einwilligung ihres Mannes brauchten, um einen Arbeitsvertrag zu schließen? Untermalt wird diese Emanzipationsgeschichte von den Zu-ständen des zerrissenen Deutschlands der Nachkriegszeit. Therese und Felix (Giselas Verlobter) stammen aus einem Gutshof bei Chemnitz, also aus der sowjetischen Besatzungszone. Sie sind allerdings nach der Enteignung in den Westteil Berlins gegangen und versuchen sich nun dort ein Leben aufzubauen. Immer wieder kommt es zu Konfrontationen der Systeme – der Sozialismus in der noch jungen DDR und das beginnende Wirtschaftswunder im Westen. Felix lässt sich auf halbseidene Geschäfte ein und verbaut damit fast sein und Giselas Leben. Katharina Fuchs erzählt detailliert von den Zuständen in Ost und West zu Beginn der 50er und gibt damit ein Bild wieder, in das man sich als Leser gut hineinversetzen kann. Sie schildert Alltagsbegebenheiten, aber webt in ihrem Roman auch den 17. Juni 1953 ein, das geschichtsträchtige Datum der Arbeiteraufstände in der DDR. Als zeitgeschichtlichen Roman fand ich das Buch sehr interessant, zumal es wirklich umfassend und gut recherchiert zu sein scheint. Leider bin ich beim Klappentext einer Fehlinterpretation aufgesessen, denn ich war darauf aus, dass das Buch eine viel größere Zeitspanne umfasst und den Weg und auch die persönliche Weiterentwicklung der Hauptfiguren schildert. Der Hauptteil der Handlung spielt allerdings in einem recht kurzen Zeitraum von etwa einem Jahr, in dem Therese ihr Staatsexamen macht und Gisela ihren Berufsweg in die Modebranche findet. In einem Nachklapp wird dann der rasante Aufstieg Thereses bis zur Vorsitzenden Richterin auf wenigen Seiten geschildert. Ich persönlich hatte die Geschichte etwas anders erwartet bzw. erhofft und war deshalb nicht zu hundert Prozent glücklich damit. Aber ich habe trotzdem einen lesenswerten historischen Ro-man genießen dürfen, der ein Alltagsbild der frühen 50er Jahre bietet und anschaulich die Situation im West- und Ostteil Deutschlands betrachtet.

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