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Babscha

Posted on 13.4.2020

„In der Liebe ist alles wahr und falsch zugleich; sie ist das einzige Thema, über das man unmöglich etwas Absurdes sagen kann“ Die einzige Geschichte. Das ist die eine Liebesgeschichte, die das Leben eines jeden Menschen prägt, glücklich oder unglücklich, im jungen oder hohen Alter, in jedem Falle einzigartig und durch nichts zu verändern. So man sie denn erlebt. Hier ist es eine ganz spezielle, die uns Paul, ein Engländer im fortgeschrittenen Alter, persönlich und im Rückblick auf sein Leben erzählt. Er ist erst 19 Jahre alt, lebt in Surrey südlich von London in einem Village bei seinen konservativ-spießigen Eltern und tastet sich langsam voran auf seinem Weg ins Leben, als er irgendwann in den späten 60er Jahren in seinem ersten Studienjahr die 48jährige Susan auf dem Tennisplatz kennenlernt, eine sehr spezielle, offensichtlich unglücklich verheiratete Frau mit zwei erwachsenen Töchtern. Trotz des immensen Altersunterschieds fühlen sich beide irgendwie zueinander hingezogen und beginnen, allen äußeren Widrigkeiten zum Trotz, eine eigentlich undenkbare Liebesbeziehung, die auf lange Sicht jedoch chancenlos bleiben wird. Obwohl die ganze Geschichte inclusive der vielen feinverästelten, abwägenden, reflektierenden und philosophischen Überlegungen zum Thema Liebe allein von Paul erzählt wird, gewinnt man einen sehr ausgewogenen Blick auf die beiden Protagonisten und die logischerweise komplizierten Rahmenbedingungen ihrer Beziehung. Hier Pauls Eltern, die sich selbstredend gegen eine solche Verbindung stemmen, dort Susans Ehemann, der zwar weiter an seiner emotional lange erloschenen Ehe festhält, seiner Frau allerdings mit zunehmender, offener Aggression begegnet. Und viele Freunde und Bekannte, die alles aus ihrer jeweiligen Warte beurteilen. Absolut überzeugend ist allerdings der Kern des Buches, nämlich wie der Autor die hochkomplizierte Beziehungsgeschichte entfaltet und durch gute und harte Zeiten bis hin zu ihrem bitteren Ende führt. Auf der einen Seite der junge, naiv-nassforsche Paul, Kind der 60er, der sich allen Widrigkeiten zum Trotz mit vollem Elan in diese Liaison reinstürzt und niemals an ihr zweifelt, dort die desillusioniert-traurige, schwierige Susan, lt. eigener Aussage Angehörige einer „abgehalfterten“ Generation, die sich auf das Spiel zwar immer mehr einlässt, jedoch das Ganze aus einem völlig anderen Blickwinkel angeht und, bereits in ihrer Lebensmitte angekommen, die ihr eingeprägten Rollenmuster einfach nicht überwinden kann. Geradezu kunstvoll, wie Barnes dies alles hier entwickelt und vorantreibt. Ein tolles, fesselndes Buch, das neben der eigentlichen, letztlich traurigen Kernstory mit viel Lebensweisheit und klugen Denkansätzen zur Komplexität und den Varianten geschlechterübergreifenden Beziehungsgefüges aufwartet. Und dem Leser die Persönlichkeitsentwicklung eines interessanten Mannes von seiner Jugend bis ins hohe Alter hinein sehr nahe bringt. Unbedingte Leseempfehlung!

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