bastilkarton
Dieses Stück habe ich im Rahmen des Englischunterrichts gelesen, es jedoch für ein verbessertes Verständnis auch nochmal auf deutsch gelesen. Ich habe sicherlich schon schlechtere (Schul-) Lektüren gelesen, in Begeisterungsanfälle für das Stück kann ich leider aber dennoch nicht ausbrechen. Sicher ganz nett für Zwischendurch, stellenweise aber wirklich fragwürdig. Meinung: An sich lies sich das Stück schnell lesen. Es war einfach zu verstehen, war schlüssig und ergab in sich sich. Man hatte eine sprachliche oder semantische Diskrepanz, sondern lernte die Charaktere sehr schnell kennen. Dennoch fiel es mir schwer, wirkliche Sympathien für die Figuren aufzubauen. Vorrangig geht es um Stella, Stanley, Blanche und Mitch. Die Beziehung zwischen Stella und Stanley fußte vorrangig auf gegenseitigem sexuellen Verlangen. Mir persönlich reichte dieses triebgesteuerte Abhängigkeitsverhältnis nicht als Legitimation für Liebe. Die Beziehung zwischen den Beiden war für mich zu oberflächlich und schlicht nicht nachvollziehbar. Vielleicht verstößt es einfach nur gegen meinen persönlichen moralischen Kompass, doch ihr Verhältnis zueinander fand ich sehr fragwürdig und verwerflich. Blache hatte psychische Probleme. Es hat lange gedauert, ihre psychischen Probleme in ihrer ganzen Bandbreite zu verstehen. Sicher war das auch Teil des Reizes des Stückes und Teil von Blaches Persönlichkeit, die unglaublich viel Wert auf die Erhaltung des Scheins legte und einige ihrer Abgründe und Geheimnisse beschönigt hat, um ebendiesen zu schützen. Doch auch ihr Verhalten, besonders aus der Vergangenheit, fand ich moralisch verwerflich und ich konnte es ihr stellenweise nicht verzeihen. Ich begegnete ihr nach einer Zeit mit einer unglaublichen Gleichgültigkeit. Ich hatte Mitleid für sie, und ich weiß nicht, ob Mitleid jemals die Basis einer Beziehung zu einer (fiktiven) Figur sein sollte. Denn sie tat mir wirklich leid- wie sie von den anderen behandelt wurde, wie sie wirklich krampfhaft nach Liebe und Anerekennung suchte, aber einfach keine mehr fand. Sie war eine geschundene Seele, vom Leben gezeichnet, die es sicherlich nicht einfach in ihrer Familie und in der Gesellschaft hat. Doch sie war mir einfach nicht wirklich sympathisch- trotz all ihrer Verdrängungsmechanismen hätte ich mir mehr Ehrlichkeit gewünscht, um Symapathie für sie entwickeln zu können. Über Stanley müssen wir eigentlich gar nicht erst reden. Er ist unhöflich, unglaublich chauvinistisch und sexistisch. Er sieht sich selbst als der "König" in seinem Haus, der das Sagen über die Frauen hat und erklärt damit sein respektloses und gewalttätiges Verhalten. Doch für einige seiner Vergehen und sein allgemeines Betragen gibt es keine Erklärung oder Entschuldigung. Und das Stella als seine Lebensgefährtin all das toleriert und nicht ihre Stimme erhoben hat, hat mich einfach aufgeregt. An dieser Stelle hätte ich mir einfach mehr Emanzipation und Feminismus gewünscht- das Bild der Frau war wirklich deprimierend in diesem Buch und das des Mannes absolut überzogen. Natürlich war es gewollt, dass man eine Art Abneigung für Stanley entwickelt- doch mir hätte es einfach besser gefallen, wenn es jemanden gegeben hätte, der Stanley mal WIRKLICH die Stirn bietet. Das Stück ist inspiriert von den Lehren Sigmund Freuds, was mir eigentlich schon im Voraus zu Denken hätte geben müssen. Mitch fand ich dagegen geradezu sympathisch. Vielleicht war er gesellschaftlich und intelligenzmäßig unter Blanches Würde, dafür war er aber aufrichtig, hat sich für sie eingesetzt und wirkliches Interesse an ihr gezeigt und war wenigstens ansatzweise der einzige, der Stanley mal etwas Parolie geboten hat- wenn auch für meinen Geschmack nicht genug. Das Ende war einigermaßen eindrucksvoll und auch schockierend, zumal es einem einen gesellschaftlichen Spiegel vor Augen gehalten hat, wie schnell Menschen verurteilt und missverstanden werden. Es hat mal wieder gegen meine Moralvorstellung verstoßen- an dieser Stelle sicher gewollt, doch um ein Stück wirklich zu mögen, waren es mir zu viele Konflikte mit meiner eigenen Moral. Alles in einem war das Stück nicht wirklich schlecht, dennoch konnte ich weder mit der Handlung noch mit den Charakteren sympathisieren und war irgendwann wirklich genervt von den Moralvorstellungen und dem implizierten Frauen- und Männerbild und deren Beziehungen zueinander.