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SternchenBlau

Posted on 6.4.2020

I‘ve been there, I‘ve done that Dieses Buch wird mit einem Zitat von Margarete Stokowski beworben, da vergleicht sie das Lesen von Irmschlers Texten mit dem „Saufen mit der besten Freundin“. Tatsächlich hatte „Superbusen“ auch für mich etwas sehr Vertrautes. Aber wirklich begeistern konnte mich das Buch dennoch leider nicht. Und das, obwohl Irmschler so viel richtig macht: Protagonistin Gisela und ihre Freund:innen verharren im Dunstkreis einer Hochschulbildung, die aber sie aber doch nur ins Präkariat führt. Sie reflektieren über Feminismus, feiern, saufen und gehen zu Anti-Nazi-Demos. Das sind alles Themen, die mich auch bewegen, und Irmschler hat immer wieder so tolle Formulierungen, die diese Sphäre trefflich beschreiben: „Wir haben das schon Hunderte Male gemacht und gefühlt. Wir haben in dieser Küche gesessen, die Geschehnisse des Tages Revue passieren lassen, uns ausgekotzt, analysiert, was falsch gelaufen ist, uns über die Polizeistrategie und die Bürgerlichen beschwert, das Internet nach Reaktionen durchforstet, uns Videos von den Demos angesehen, bis das schrille männliche Videogebrüll nicht mehr zu ertragen war, haben gekifft und uns in Müdigkeit und Dummheit geflüchtet. Aber diesmal ist es anders. Wir haben geglaubt, es sei besser geworden. Aber es ist schlimmer.“ Manche Passagen fand ich unglaublich intensiv und anrührend. Dann gab es wieder eher ironische Beschreibungen von Chemnitz und dem Osten (klasse, dass der literarisch mal mehr Repräsentanz findet), die mich aber emotional dann nicht so packen konnten, obwohl ich sie schon witzig und treffend fand. So wie diese hier: „Der Kaßberg ist das größte zusammenhängende ­Jugendstilviertel Deutschlands, Europas oder sogar weltweit. Man muss Chemnitz immer irgendwelche Superlative abringen, damit man sich als etwas Besonderes fühlen kann. Zum Beispiel hat Chemnitz auch die älteste Bevölkerung Deutschlands oder Europas…“ Ich habe bereits beim Lesen immer wieder überlegt, woran das liegt, dass mich das Buch nicht wirklich begeistern kann. Und da fiel mir immer wieder Stokowskis Freundinnen-Vergleich ein: Bei echten Menschen stehe ich jene Durststrecken durch, in denen man tausend Mal dasselbe hört oder sagt. Das mache ich nicht, weil das so sonderlich viel Spaß macht, sondern weil dort ein echter Mensch dahintersteht. Aber bei diesem literarischen Ich fehlt mit dafür etwas die Geduld und ihre Sorgen und Nöte konnten mich streckenweise nicht richtig packen.  Wirklich, ich hätte das Buch von allen Grundvoraussetzungen her besser bewerten wollen, aber ich bin irgendwie wohl nicht mehr die Zielgruppe. Bitte nicht falsch verstehen, habe „Superbusen“ irgendwie auch ganz gerne gelesen. Ich kenne die Gedanken und Diskurse und ich habe mich auch oft wiedererkannt, auch wenn bei mir vieles nie so extrem war.  Aber irgendwie trifft da bei mir die englische Floskel zu: „I’ve been there, I’ve done that.“ Auch die Selbstzweifel habe ich zum Glück doch weitgehend hinter mir gelassen, die Irmschler so pointiert formuliert: „Nur daran kann es liegen. Wäre ich schlanker und schöner und zarter, würde sich Paul sicher mehr Mühe geben.“ Vielleicht kann ich auch einfach mit dem Genre des Pop-Romans wenig anfangen, weil ich den männlichen Pendants bislang auch wenig abgewinnen konnte: Die andauernden Referenzen, das Name-Dropping, bei dem ich mich dann gelegentlich unzulänglich fühle, wenn ich diese nicht kenne. Als Pop-Literatur liest sich „Superbusen“ für mich aus weiblicher Sicht wirklich deutlich angenehmer, weil es Irmschler nicht darum geht ihr Ego zu pushen. „Sie standen die ganze Zeit bei mir, wir tanzten zur Blond-Version von »Feeling Myself« und lagen uns, nachdem die Bands durch waren und die DJs übernommen hatten, zu »Don’t Look Back In Anger« in den Armen. Chemnitz ist vermutlich die einzige Stadt, in der man das völlig unironisch noch tun kann. Und es ist nichts falsch daran.“ Dennoch wirkt es auf mich immer so, als müssten wir in stetiger Referenz zur Popkultur leben. Ganz toll finde ich übrigens, dass Irmschler ihre Figuren sehr unkompliziert über Menstruation oder Schwangerschaftsabbrüche sprechen lässt. Solche Figuren brauchen wir in der deutschen Literatur noch viel, viel mehr. Fazit Irmschler macht sehr viel richtig, aber vermutlich bin ich einfach nicht mehr die richtige Zielgruppe. Ich schwankte zwischen 3 und 4 Sternen, letztlich hat mich „Superbusen“ über lange Strecken emotional nicht wirklich gepackt. Gerade für Frauen zwischen 18 und 30 ist „Superbusen“ aber sicherlich ein sehr wichtiges Buch.

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