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ankasgeblubber

Posted on 4.4.2020

Mobbing, insbesondere Cybermobbing, ist ein, wenn nicht sogar DAS zentrale Thema im neuen Jugendroman „FIREWALL“ von Erin Jade Lange. Der Jugendliche Jordan Springer wurde von seinen Mitschülerinnen und Mitschülern so extrem gemobbt, dass er nur noch einen Ausweg sah: Auf sehr spektakuläre Art und Weise nahm er sich vor den Augen seiner Peiniger das Leben. Natürlich hat dieser Fall das komplette Land erschüttert. Die Medien haben sich auf die Schule gestürzt, welche in Kürze traurige Berühmtheit erlangte. Nicht nur die Eltern, auch die Politik und natürlich die Schule verlangten Maßnahmen. So kam es, dass ab sofort sämtliche Online-Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler überwacht werden. Zu den betroffenen Schülern gehört auch Eli, ein begnadeter Hacker, der bereits so einige Sicherheitslücken im Internet ausfindig gemacht und publiziert hat. Als er eines Tages von einer unbekannten Gruppierung namens „Freunde von Springer“ angeworben wird, schlägt sein Hacker-Herz direkt höher. Die „Freunde von Springer“ haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich an Jordans Mobbern zu rächen und im selben Atemzug der „Cyber Stasi“ eins auszuwischen. Obwohl Eli weiß, dass sein Handeln alles andere als legal ist, kann er der Verlockung, sein Können unter Beweis zu stellen, nicht widerstehen und lässt sich auf einen Deal mit schwerwiegenden Folgen ein… „Meine Neugier fuhr auf der Überholspur… und ließ meine Zweifel auf dem Seitenstreifen zurück.“ (S.74) Ohne Frage, bereits mit ihren ersten 2 Sätzen konnte mich die Autorin schockieren und in ihren Bann ziehen. Sie hatte meine vollste Aufmerksamkeit, von der ersten bis zur letzten Seite. Mitgerissen von dem eindringlichen Schreibstil, der sicherlich auch Spuren des brillianten Übersetzer-Duos Sandra Knuffinke & Jessica Komina (übersetzt u.a. die Bücher von Maggie Stiefvater und Marie Lu) trägt, fand ich mich, schneller als erwartet, in einem dunklen Keller wieder und beobachtete, welch großer Schaden mit einem finalen Klick ausgelöst werden kann. Eli war für mich ein sehr glaubwürdiger Protagonist, irgendwie ein Anti-Held, der jedoch im letzten Viertel ordentlich Mut beweist. Er muss sich mit typischen Problemen des Erwachsenwerdens herumschlagen und ist mit Sicherheit ein Protagonist, mit dem sich viele Leser identifizieren können. Wie in ihm das schlechte Gewissen gewachsen ist, welches anfangs noch komplett von der Euphorie überdeckt war, fand ich klasse dargestellt. Wir sind alle keine perfekten Menschen, das ist klar, und Eli zeigt, dass man Fehler begehen kann, aber unbedingt daraus lernen und seine Konsequenzen daraus ziehen sollte. Was hätte alles vermieden werden können, hätten sich die „Freunde von Springer“ gegen den Klick auf „veröffentlichen“ entschieden? „Jeder nahm es sich raus, über andere zu urteilen, erging sich in Schadenfreude, und so langsam konnte ich die Grenze zwischen Gut und Böse nicht mehr erkennen.“ (S. 272) Mir gefiel es sehr, dass die Autorin die Grenzen zwischen schwarz und weiß aufbricht, Täter zu Opfern und Opfer zu Tätern werden lässt. Sensibel aber dennoch eindrücklich erzählt sie diese erschreckende Geschichte, die eine spannende Dynamik entwickelt. „Wir hatten ein Monster erschaffen. Ein kleines süßes Babymonster – weitgehend harmlos, aber trotzdem ein Monster. Und das Problem mit Babymonstern ist, dass sie irgendwann Zähne bekommen und jede Menge Wut im Bauch, bis sie zu gefährlich sind, um sie unter Kontrolle zu halten.“ (S. 124) Wobei es sich bei diesem MONSTER handelt, solltet ihr selbst herausfinden. Ein brisantes, aktuelles Thema – spannend und authentisch verpackt in einen Jugendroman, der definitiv auch prima als Schullektüre gelesen werden kann. Er zeigt erbarmungslos auf, wohin Cybermobbing führen kann und motiviert die Leserinnen und Leser dazu, ihr Online-Verhalten zu überdenken.

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