daslesendesatzzeichen
Ein friedliches Bild: Kinder und Mutter vereint am Esstisch. Während die Mädels Schulunterricht machen, versuche ich meine Rezension einzutippen. Solange die Stimmung gut ist, kann das klappen, in Zeiten von Homeschool bin ich eruptionsartig ausbrechende Stimmungswechsel auf allen Seiten aber mittlerweile gewohnt und so weiß ich: Selbst der schönste „Tisch-Frieden“ ist nicht von ew’ger Dauer, daher fasse ich mich knapp und lege schnell los. „Der Choreograph“ ist Håkan Nessers Erstling, auf Schwedisch erschien er bereits im Jahr 1988. Erst jetzt, zu Nessers 70. Geburtstag, wurde der Roman in einer Sonderedition bei btb ins Deutsche übersetzt und so endlich seinem hiesigen Millionenpublikum zugänglich gemacht. Ich gehöre nicht zu seinen Hardcorefans, ich bin kein großer Krimileser und so kenne ich von ihm nur „Elf Tage in Berlin“, was ich vor Jahren gelesen und unglaublich geliebt habe. Ich hatte also eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber dem „neuen Erstling“ und wurde leider enttäuscht. Ich bin sehr glücklich darüber, zu sehen, dass ich mit meinen Problemen mit dem Buch nicht alleine dastehe. Bei meiner Netzsuche nach Sinngebung, stoße ich bei BücherTreff.de auf eine erfrischende Rezension zu diesem Buch. Die Rezensentin Marie schreibt: Eigentlich könnte meine Rezension ganz einfach, kurz und knapp sein: ? Besser hätte ich es nicht zusammenfassen können. Das Buch hat einen spannenden Klappentext mit gutem Einstieg „Ein Mann und eine Frau“. Genau darum geht es in dem Buch. Das ewige Ding um die große Liebe. Der Protagonist, der lange namenlos bleibt, sieht in der Stadt K. eine wunderschöne Frau durch ein Schaufenster in einem Bekleidungsgeschäft. Sie probiert Verschiedenes an, scheint Entscheidungsschwierigkeiten zu haben. Der Protagonist sieht sie, erleidet kurz darauf eine Art Schwächeanfall (oder ist es ein Sprung in eine andere Zeit?) vor dem Geschäft, kippt um, ist bewusstlos. Als er wieder aufwacht, lässt er seine Wunden im Geschäft verbinden und lernt so die „schönste Frau der Welt“ kennen. Sie scheint seine Gefühle zu erwidern, kommt mit ihm mit und sie verabreden sich für den Nachmittag. Sie werden ein Liebespaar, doch sie verschwindet immer wieder. Er setzt einen Privatdetektiv auf sie an und sie erklärt sich ihm irgendwann, doch Zeit und Raum, vorher, nachher sind irgendwann plötzlich aufgehoben. Was spielt jetzt, was ist eine Rückblende? Was ist „real“, was vielleicht nur ein Traum? Oder werden die beiden Figuren schlicht, wie der Titel schon vermuten lässt, von einer fremden Macht dirigiert? Die Frau kann ihr Leben nicht mit dem Protagonisten verbringen, da sie verheiratet ist, ihr Mann aber in einem Pflegeheim betreut wird. Sie ist ihm emotional aber weiterhin tief verbunden. Das ist eine Zwickmühle, aus der sie nicht entkommen kann: Einerseits fühlt sie sich dem Mann im Heim verpflichtet, fühlt sich als „seine Frau“, andererseits ist sie verliebt in den neuen Mann und wäre gerne wiederum dessen Frau. Das alles wäre an sich eine spannende Situation, doch wird diese nicht ausdiskutiert und zum zentralen Thema des Romans genommen, sondern die normale, lineare Erzählstruktur wird aufgebrochen und alles verschwimmt in verschiedenen Zeitebenen. Wann lebte diese Frau, wann der Protagonist? Warum begegnen sie sich, obwohl sie eigentlich zu anderen Zeitebenen gehören? Und tun sie das wirklich oder ist der Protagonist schlicht verrückt und wir sind mittendrin in seinen schrägen Gedanken? Eine Auflösung gibt es weder hier noch im Buch. Ein für mich zähes Unterfangen, das nach Fertiglesen noch nicht mal durch ein richtiges Ende belohnt wird. Einzig wirklich Positives, was ich sagen kann über „Der Choreograph“, ist Nessers Fähigkeit, Bilder vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Wäre dies jedoch mein erstes Buch von Nesser gewesen, hätte ich mit Sicherheit in Zukunft einen weiten Bogen um all seine weiteren Bücher gemacht.